Martin Heidegger hat am 27. Mai 1933 in Freiburg als Rektor eine Rede mit dem programmatischen Titel »Die Selbstbehauptung der Deutschen Universität« gehalten, in der er sich emphatisch zum Nationalsozialismus und zu Adolf Hitler als »Führer« bekannt hat. Aufgrund seines Eintretens für den Nationalsozialismus erhielt Heidegger nach 1945 für einige Jahre ein Lehrverbot, das allerdings 1951 aufgehoben wurde. Heute ist Heideggers Lehre von der Überwindung der Metaphysik an den Universitäten wieder wie selbstverständlich vertreten, ganz so, als sei nie etwas gewesen. Seine Philosophie wird streng von der Person Heidegger getrennt und jede Verbindung geleugnet.
Gegen diese Form der Verdrängung hat nun der Philosoph Bernhard H. F. Taureck den Sammelband »Politische Unschuld? In Sachen Martin Heidegger« zusammengestellt. Seine These ist, dass »statt von einer schicksalhaften ›Verstrickung‹« besser »von einer durch Entschlossenheit und Entscheidung bestimmten Interessengemeinschaft Heideggers mit der NS-Bewegung gesprochen werden« sollte. Die Autoren des Bandes versuchen, das Ausmaß seiner Begeisterung für den Nationalsozialismus sowie die philosophischen Motive für sein Engagement zu ergründen.
Emmanuel Faye, der neben Victor Farias bereits ein grundlegendes Buch zum Thema veröffentlicht hat, weist überzeugend nach, dass Heidegger den Nationalsozialismus in die Philosophie eingeführt hat. Der Heidegger-Spezialist Rainer Marten thematisiert das Motiv des »Anfangs«, das in der Freiburger Rektoratsrede vorkommt und grundlegend für das Verständnis von Sein und Zeit ist. Ishay Landa möchte den Gegensatz zwischen Liberalismus und Faschismus als Schein entlarven und deutet letzteren dabei als Überspitzung des liberalen Individualismus. Heidegger sei kein Kollektivist, sondern gebe eine faschistische Antwort auf das Problem der Massengesellschaft.
Der Band beleuchtet verschiedene Aspekte des politischen und philosophischen Schaffens Heideggers und zerstört damit überzeugend den Irrglauben, dieser habe mit dem Nationalsozialismus »eigentlich« nichts zu tun gehabt oder sei gar ein - wie der Apologet Silvio Vietta lauthals verkündete - »Kritiker des Nationalsozialismus«. Es bleibt nach der Lektüre zu hoffen, dass sich die hier versammelten Erkenntnisse auch auf die akademische Auseinandersetzung mit Heidegger auswirken. Man darf also auf das nächste Heidegger-Seminar an der Uni Köln gespannt sein.