Ein neues Regierungsprojekt hat in Frankreich Wellen der Empörung ausgelöst. Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Innenministerin Michèle Alliot-Marie wollen ein Verzeichnis bisher ungekannten Ausmaßes schaffen, das Informationen über Personen enthält, die angeblich die öffentliche Sicherheit gefährden könnten. Es soll unter anderem Daten zu körperlichen Merkmalen, Adresswechseln, der Anmeldung des Autos, der Steuer sowie Fotos, Angaben zum Verhalten und dem Bekanntenkreis enthalten. Opposition, DatenschützerInnen und Menschenrechtsorganisationen laufen Sturm gegen diesen Plan. Nach starkem Widerstand gegen das ursprüngliche Konzept sind mittlerweile einige Änderungen angekündigt.
Die geplante Datenbank sollte im Zuge einer Neuorganisation des französischen Inlandsgeheimdienstes DCRI entstehen. Sie war besonders in die Kritik geraten, weil erstmals auch Daten »auffällig gewordener« Minderjähriger ab 13 Jahren gesammelt werden sollten. Dafür hätte die Bekanntschaft mit Personen gereicht, die nach Ansicht der Polizei die öffentliche Ordnung gefährdeten. Die französische Opposition wertete dies als hilflosen Versuch, die wachsende Jugend- und Bandenkriminalität zu bekämpfen.
Aber auch die Erfassung der Daten von Personen, die sich um ein politisches, gewerkschaftliches oder religiöses Mandat bewerben oder es bereits bekleiden oder eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben spielen, war geplant. Das Verzeichnis sollte außerdem mit bestehenden Datenbanken vernetzt werden, die Informationen zu ethnischer Abstammung, Gesundheit und Sexualleben enthalten.
Wie erst Ende September bekannt wurde, hatte die Menschenrechtsorganisation der Vereinten Nationen die Regierung deswegen bereits im Juli gerügt. Sie kritisierte vor allem, dass die Datenbank durch ein einfaches Regierungsdekret eingeführt werden soll statt durch ein Gesetz, das im Nationalrat hätte beraten werden müssen. Das bemängeln nach wie vor auch viele PolitikerInnen der Opposition. Sie verlangen, dass ein verbindliches Rahmengesetz für die Datenbank beschlossen wird.
Sarkozy und Alliot-Marie haben zwar bereits auf die Proteste reagiert, wollen aber nicht grundsätzlich von ihrem Vorhaben ablassen. Sie haben einige Modifikationen an der ursprünglichen Version angekündigt, was auch ein neuer Name ausdrücken soll. Die Datenbank trägt nun nicht mehr das Akronym Edvige (Deutsch: Dokumentarische Auswertung und Nutzung allgemeiner Informationen), sondern Edvirsp (Dokumentarische Auswertung und Nutzung allgemeiner Informationen mit Relevanz für die öffentliche Sicherheit).
Die Veränderungen halten sich allerdings in Grenzen und sind größtenteils eher kosmetischer Natur. Es wurde nur der Begriff der öffentlichen Ordnung durch den der öffentlichen Sicherheit ersetzt. Die Daten von Minderjährigen sollen gelöscht werden, sofern diese zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr nicht negativ auffallen. Abgeordnete und GewerkschafterInnen sollen nicht mehr Ziel der DatensammlerInnen werden.
Die geänderte Verordnung wurde vor Inkrafttreten der französischen Datenschutzbehörde CNIL zur Prüfung vorgelegt. Dem Leiter Alex Türk genügen die Änderungen, die problematischen Punkte des ursprünglichen Entwurfs seien geklärt. Meryem Marzouki, Präsidentin der Bewegung für ein demokratisches Internet (IRIS), sieht das anders. Ihre Organisation rief für Mitte Oktober zu landesweiten Protesten auf. Eine Unterschriftenaktion zur vollständigen Verhinderung der Datenbank verzeichnete am 25. September rund 186000 Einträge von Einzelpersonen und mehr als 1100 von Organisationen. Sieben Gewerkschaften und die Menschenrechtsorganisation »Ligue des droits de l'homme« wollen am 18. Oktober Klage beim Obersten Gerichtshof einreichen. Ihnen geht die geplante Erfassung immer noch deutlich zu weit.