VWL-Student Stefan Quandt muss sich keine Sorgen um Studiengebühren und Nebenjobs machen. Im Gegenteil: Während des Studiums an der Hamburger Bundeswehruniversität bekommt er sogar ein monatliches Gehalt von fast 1700 Euro. Denn vor dem Studium hat er, wie die meisten seiner Mitstudierenden, eine 15-monatige Ausbildung zum Offizier hinter sich gebracht. »Die Studienbedingungen sind außergewöhnlich«, schwärmt Quandt. Die Universität sei gut ausgestattet und die Betreuungsrelation besser als an gewöhnlichen Hochschulen. Ohne Schattenseiten ist das Bundeswehrstudium aber nicht. Auch einige der ProfessorInnen sind umstritten: So erklärte der Historiker Michael Wolfssohn von der Bundeswehr-Uni München, dass man TerroristInnen auch foltern dürfen sollte.
Die Bundeswehr führte die Studienmöglichkeit 1973 ein, um die Offizierskarriere attraktiver zu machen. Ende der Sechzigerjahre ging die Zahl der Offiziersbewerber zurück, weil üblicherweise nur etwa zwanzig Prozent der TruppenführerInnen nach der Pflichtzeit übernommen werden. Für die Übrigen wollte der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD) die Chancen einer zivilen Karriere nach dem Dienst verbessern. Die Reaktionen der Westdeutschen Rektorenkonferenz waren gemischt. »In der Stimmung von 1968 wollten viele keine Soldaten ausbilden«, erklärt der Sprecher der Hamburger Bundeswehr-Uni Dietmar Strey. »Und die Universitäten, die zur Zusammenarbeit bereit waren, hatten nicht genug Kapazitäten.« Deshalb gründete die Bundeswehr zwei eigene Hochschulen in München und Hamburg.
Dreißig Studiengänge bietet sie zurzeit an, viele von ihnen technischer Ausrichtung. Studierende können aber auch Veterinärmedizin belegen. Deren AbsolventInnen sollen sich um bundeswehreigene Tiere kümmern. »Für Einsätze im Gebirge werden beispielsweise Mulis verwendet«, erklärt der Leiter der Offizierbewerberprüfzentrale Jürgen Steinberger. Zurzeit sind an den beiden Hochschulen mehr als 6000 Studierende eingeschrieben.
Wer bei der Bundeswehr studieren will, muss sich für 13 Jahre verpflichten und mehrere Eignungstests bestehen. »Etwa jeder sechste Bewerber bekommt einen Studienplatz«, sagt Steinberger. Einen Numerus Clausus gibt es nicht. Wer angenommen wird, hat ein straff organisiertes Studium in Trimestern vor sich. Drei Jahre haben die Studierenden bis zum Bachelor-Abschluss Zeit, vier Jahre bis zum Master. Für eine Verlängerung des Studiums haben sie deutlich weniger Spielraum als an zivilen Hochschulen. Etwa ein Viertel der Studierenden bricht laut Steinberger das Studium ab.
»Es geht relativ zügig voran und man hat weniger Freiräume als an normalen Unis«, sagt Student Quandt. Trotzdem engagiert er sich im studentischen Konvent, der mit dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) vergleichbar ist. An den Bundeswehr-Unis gibt es keine Verfasste Studierendenschaft und keine politischen Hochschulgruppen. Das Soldatengesetz verbietet eine politische Betätigung im Dienst. »Wir studieren aber nicht an einer Militärakademie, sondern an einer Universität«, sagt Quandt. Deshalb komme es auch zu politischen Debatten mit den Vorgesetzten. »Es kann schon einmal vorkommen, dass ich sage: ›Herr Oberst, Sie können mich mal.‹«
Mit einer etwas anderen Art der politischen Äußerung wurden Angehörige der Bundeswehr-Unis schon mehrmals auffällig. Als eine Studierendengruppe der Hamburger Bund-Uni vor einigen Jahren ein KZ besichtigte, sollen antisemitische Sprüche gefallen sein. Im vergangenen Jahr entdeckte ein Offiziersanwärter an der Bundeswehr-Uni München Nazi-Schmierereien auf dem Campus.