Hannes G. ist ein kritischer Mensch. Der 19-Jährige fragt nach und beanstandet, wo es ihm angebracht scheint. Als Schülervertreter an einem Bremer Gymnasium weiß er auch, dass so etwas bei den Kritisierten nicht immer gut ankommt - die Anfeindungen, denen er und sein Mitschüler Samuel L. derzeit ausgesetzt sind, kamen aber dennoch unerwartet.
Die beiden Schüler hatten Ende vergangenen Jahres in der SchülerInnenzeitung Q-rage einen kritischen Artikel über das Christival im Frühjahr 2008 in Bremen veröffentlicht, eine Veranstaltung fundamentalistischer ProtestantInnen. In ihrem Text beschreiben die beiden Nachwuchsjournalisten, wie die so genannten Evangelikalen mit Seminaren wie »Sex ist Gottes Idee - Abtreibung auch?« und »Homosexualität verstehen - Chancen zur Veränderung« Front gegen Abtreibung und Homosexuelle machten. Sie ließen GegnerInnen der Veranstaltung zu Wort kommen und urteilten, Evangelikale verträten »erzkonservative, zum Teil verfassungsfeindliche Ideologien«.
Der Artikel in Q-rage war längst nicht der einzige kritische Medienbericht über das Christival und erschien zudem erst ein halbes Jahr nach der Veranstaltung. Die heftigen Reaktionen darauf haben Hannes G. und Samuel L. deshalb überrascht: Evangelikale Gruppen fielen im Internet über sie und ihren Text her, rechte Medien schlossen sich an. »Diese erbärmlichen, strunzdummen, feigen Wichte«, pöbelte gar ein Kommentator im Weblog Politically Incorrect, das sich vor allem durch viele rechtsextreme KommentatorInnen hervortut.
Besonders empört zeigten sich Evangelikale wie Rechte über die Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) für den Artikel. Denn Q-rage ist keine gewöhnliche SchülerInnenzeitung: Sie wird in Millionenauflage vom Netzwerk »Schule gegen Rassismus« herausgegeben, das von der BPB finanziell unterstützt wird. BPB-Präsident Thomas Krüger lobte in einem Begleitbrief zum Magazin den Artikel von G. und L. als informativ und interessant. Ein »Hetzbrief«, nach Ansicht der fanatischen ChristInnen der Internetseite kreuz.net.
Krüger beugte sich letztlich dem Druck der Evangelikalen und distanzierte sich vom Artikel der beiden Schüler - was freilich deren These stützt, dass Evangelikale hierzulande an Einfluss gewinnen. »Die BPB hält diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich unakzeptabel«, heißt es in einer Mitteilung der Bundeszentrale. Autor Hannes G. ist von Krügers Reaktion enttäuscht. »Ich kann nicht verstehen, warum er jungen Autoren so unfreundliche Sätze um die Ohren schlägt«, sagt er. G. ist überzeugt, mit seinem zwar polemischen, aber keinesfalls hetzerischen Artikel nur Tatsachen aufgezeigt zu haben.
»Ich rücke von der Feststellung, dass einige evangelikale Gruppen verfassungsfeindlich sind, nicht ab«, sagt er. »Wer die Bibel oder eine andere Schrift als einzig gültiges Buch bezeichnet, stellt die Verfassung in Frage. Wer Menschen bestimmte Lebensweisen aufzwingt oder vorenthält, beziehungsweise vorenthalten will, schränkt aus meiner Sicht persönliche Freiheitsrechte ein.« Seine kritische Grundhaltung will G. sich auch durch den Rückzieher der BPB nicht verleiden lassen.