Wer im Sommer vor der Mensa steht, hört manchmal lautes Kindergeschrei vom Grundstück auf der anderen Straßenseite. Manch einer hat vielleicht auch schon über den Zaun ein selbst gemaltes Bild zum Kauf angeboten bekommen. An klirrend kalten Tagen, wenn auf der Uniwiese der Schnee zentimeterdick liegt, ist von draußen kein Laut zu hören, doch hinter der Eingangstür des mit buntem Graffiti besprühten Häuschens hinter dem Zaun wuseln Kinder hin und her. Sie rennen von einem der drei bunt gestrichenen Raum in den nächsten oder helfen sich im Flur gegenseitig, Winterjacken und Mützen anzuziehen. Auf dem Flur stehen dreißig Paar kleine Gummistiefel.
Ein Schild neben der Tür weist das Häuschen als Universitätskindergarten aus. Allerdings bekommen nicht nur Kinder von Studierenden hier einen Platz. »Der Universitätskindergarten war schon immer auch für andere Eltern offen«, sagt Sozialpädagogin Rita Löcker, die hier arbeitet. Zurzeit hat etwa die Hälfte der Kinder Studierende oder andere Universitätsangehörige als Eltern. »Besonders wichtig ist uns, viele Kinder mit Migrationshintergrund zu haben, damit die Gesellschaft in den Gruppen repräsentiert wird«, erklärt Löcker. »So lernen die Kinder, mit fremden Kulturen umzugehen.« Ins Leben gerufen wurde die Einrichtung 1965 von Studierenden. Dreißig Kinder finden hier Platz, auch einige Zweijährige sind darunter.
Im Uni-Kindergarten gibt es nur wenige Regeln. »Die Kinder hier dürfen selbstbestimmt spielen«, sagt Löcker. Ein kleines Mädchen im grauen Wollkleid unterbricht die Erzieherin: »Ich will jetzt meinen Lolli«, sagt sie. »Den kannst du gleich haben, wenn deine Mama dich abholen kommt«, lautet die Antwort. »Ich will aber nicht nach Hause«, beschwert sich das Kind, das heute erst zum zweiten Mal hier ist.
Es gibt zwar einen Tagesplan, aber die Kinder können so oft wie möglich selbst entscheiden, was sie machen möchten. Die Älteren unter ihnen haben allerdings ein etwas strafferes Programm: Sie werden in einer besonderen Gruppe auf die Einschulung vorbereitet. Nach dem Mittagessen können trotzdem alle Kinder mit den ErzieherInnen zusammen basteln, spielen, sich in der Kuschelecke ausruhen oder im Tobe-Raum umher toben. »Wir wollen Kreativität, Sozialverhalten und auch Empathie der Kinder fördern«, sagt Löcker. Deshalb sollen sie sich eher gegenseitig helfen als BetreuerInnen um Hilfe zu bitten. Dass es dabei manchmal ein bisschen laut zugeht, scheint den Kindern zu gefallen. Man sieht hier fast nur muntere Gesichter.
Auch die Eltern sind im Uni-Kindergarten gefragt. So helfen sie zum Beispiel bei der täglichen Zubereitung des Mittagessens. In den kommenden Jahren dürfte es allerdings immer weniger Studierende unter den Eltern der Universitätskindergarten-Kinder geben. Schuld daran sind die neuen Bachelor-Studiengänge, die Studierenden weniger Zeit lassen, sich um ein Kind zu kümmern. Eine Studie des Deutschen Studentenwerks geht davon aus, dass sich künftig immer weniger Studierende für ein Kind entscheiden werden. Könnten die heutigen studierenden Eltern noch einmal wählen, würde sich jedoch der Studie zufolge mehr als die Hälfte wieder für ein Studium mit Kind entscheiden. Mehr Einrichtungen wie der Uni-Kindergarten würden den Uni-Alltag dann allerdings einfacher machen.