Aufn Absacker in die Südstadt?

Dafür und dagegen VIII: Neue U-Bahn durch Köln weiterbauen - ja oder nein? Von Nadine Gottmann, Katrin Gildemeister

dafür

Zugegeben, beim Bau der neuen Nord-Süd-Stadtbahn ging bisher eigentlich alles schief. Bereits vor dem Unglück an der Severinstraße lagen die Kosten mehr als fünfzig Prozent über dem zu Beginn kalkulierten Preis. Inzwischen ist mit einem Betrag von etwa einer Milliarde Euro zu rechnen. Offensichtlich hatten verschiedene StatikerInnen und GutachterInnen, unter anderem vom Aachener Hochschul-Institut für Geotechnik, bereits seit September vor den unsicheren Bodenverhältnissen gewarnt. Und nun, nach dem Unglück, will niemand die Verantwortung für den Einsturz des Historischen Archivs und der drei angrenzenden Häuser übernehmen.

Man hätte nie anfangen sollen, die neue U-Bahn-Linie zu bauen - das ist richtig. Vor allem in Hinblick auf die beiden Menschen, die ihr Leben verloren haben. Doch den Bau an diesem Punkt abzubrechen, wäre sicherlich die falsche Entscheidung. Da die Stadt ein Zehntel der Kosten selbst trägt, sind bereits große Summen an Kölner Steuergeldern in das Projekt geflossen. Durch einen Abbruch zum jetzigen Zeitpunkt würden kaum Kosten gespart, denn die aufwändigsten Abschnitte wurden bereits fertig gestellt.

Die Finanzen allein können natürlich nicht den Ausschlag zur Vollendung der Nord-Süd-Bahn geben. Zwei unabhängige Ingenieurbüros, die Oberbürgermeister Fritz Schramma zur Einschätzung der Lage zusätzlich beauftragt hat, haben den Weiterbau inzwischen für sinnvoll erklärt, allerdings unter "begleitender intensiver Überwachung". Dass die KVB aus den Fehlern gelernt hat, die Bauüberwachung von nun an ernst genommen wird und diesbezüglich kein noch so kleines Risiko eingegangen wird, darauf muss man sich jetzt verlassen können. Nach dem Schaden, den die U-Bahn schon angerichtet hat, ist es das Mindeste, dass die KölnerInnen die neue Linie wenigstens eines Tages nutzen können.

Nadine Gottmann

dagegen

Seit 2004 werkeln Bauunternehmen im Auftrag der KVB nun an der noch imaginären, vier Kilometer langen Nord-Süd Bahn quer durch Köln herum - und verursachen eine Katastrophe nach der nächsten. Jetzt sind zwei Menschen gestorben. Zwei Menschen, die auf Kosten ignoranter und kapitalgeiler UnternehmerInnen ihr Leben lassen mussten.

Leider steht offiziell immer noch in den Sternen, beim wem die Schuld zu suchen ist, aber gewusst haben auf jeden Fall beide Parteien von den 15 Brunnen in der Nähe des Archivs, elf mehr als eigentlich erlaubt. Die Brunnen, die das Grundwasser abpumpen sollten und über die alle Beteiligten geschwiegen haben. Und jetzt ist nicht nur der Tod zweier Menschen zu beklagen, sondern die KölnerInnen müssen sich auch noch um die hundert anderen Gebäude sorgen, die entlang der Strecke Risse zeigen, unter ihnen Basilika Sankt Maria im Kapitol. Denn seit Ende März darf die Strecke weitergebaut werden, zur Beunruhigung der in der Nähe wohnenden Menschen. Die Umsätze der Läden auf der Severinstrasse sind gesunken und die Menschen leben in Angst vor der nächsten Katastrophe.

Klar, das Projekt hat bereits viel Geld gekostet und wurde von objektiven PrüferInnen abgesegnet. Immerhin haben sich die dafür verwendeten Steuergelder schon von 320 Millionen auf fast eine Milliarde erhöht. Aber wenn man bedenkt, dass auch das Archiv in der Woche vor seinem Einsturz noch geprüft wurde, ist diese Tatsache wenig vertrauenerweckend. Die KölnerInnen haben also noch drei Jahre vor sich, in denen ungeahnte, von niemandem verantwortete Katastrophen passieren können. Wie viele Menschen sollen noch unschuldig sterben, wie viele in Angst und Schrecken versetzt werden, bevor die Stadt die einzig richtige Konsequenz zieht und den Bau der Nord-Süd Bahn stoppt?

Katrin Gildemeister