In Frankreich wird wieder demonstriert. SchülerInnen, Studierende und MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes protestieren gegen die Reformpläne von Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Sie sind wütend über immer neue Budgetstreichungen. Die Regierung will längere Arbeitszeiten einführen, Stellen im öffentlichen Dienst streichen und den Kündigungsschutz lockern.
So will sie das Referendariat durch eine längere Studienzeit ersetzen, die recht flexible Wahlfreiheit der Fächer in der Oberstufe beschneiden, selten gewählte Fächer ersatzlos streichen und 5500 LehrerInnen entlassen. Daneben steht eine Umstrukturierung der Hochschulen auf dem Plan. Davon werden insbesondere DozentInnen betroffen sein, weswegen sie Anfang Februar auf einer Generalversammlung zu den Protesten aufriefen. In der Folge weigerten sich viele DozentInnen und LehrerInnen, zu unterrichten. Neben friedlichen Demonstrationen stehen auch brennende Autos und Schuhwürfe auf Sarkozy auf der Tagesordnung. Einige ProtestlerInnen stürmten den Unterrichtsraum eines Dozenten und bewarfen ihn mit einer Torte. Studierende besetzten Unis und nahmen sogar Universitätspräsidenten als Geiseln. Die deutsche Erasmus-Studentin Korinna Krüger zeigt sich mit den Protestierenden solidarisch. »Ich kann verstehen, dass die Betroffenen streiken«, sagt sie. »Schließlich geht es um ihre Ausbildung.« Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da: In den größeren Städten befürworten über siebzig Prozent der Einwohner die Streiks. Sollten die Reformen durchkommen, würden viele Universitäten privatisiert und Lehrstellen abgebaut. ProfessorInnen müssten bei gleichbleibendem Gehalt mehr lehren. Gleichzeitig verlangt Sarkozy jedoch, dass sie mehr publizieren. »Ich möchte hier nicht unangenehm werden, aber trotz vergleichbarem Budget veröffentlicht ein französischer Forscher im Durchschnitt dreißig bis fünfzig Prozent weniger als sein britischer Kollege«, sagte er in einer Rede. Dieser Satz war einer der Auslöser der Proteste. Als Reaktion forderte eine Philosophieprofessorin ihre KollegInnen auf, nur noch unsinnige Texte zu veröffentlichen.
Im Rahmen der Reformen sollen zudem HochschulpräsidentInnen unabhängiger über die Uni-Finanzen entscheiden und eigenständig Personalentscheidungen treffen können. KritikerInnen befürchten, dass die staatlichen Universitäten so über kurz oder lang privaten Hochschulen gleich kämen. Als Beleg dafür sehen sie, dass immer mehr VertreterInnen aus der Wirtschaft in die Führung der Universitäten eingebunden werden.
Mittlerweile gehen die Studierenden wieder zur Uni und die DozentInnen geben wieder Unterricht. Entschieden ist der Kampf aber noch nicht. »Die Stimmung ist nach wie vor aufgeheizt, und auch die Demonstrationen hören nicht auf«, sagt Krüger. »Einige Studenten kündigen jetzt schon an, dass sie im September, nach der Prüfungszeit, weiterstreiken möchten.«