Gender in Bewegung

Gender-Themen haben unter Studierenden Konjunktur. Trotzdem muss die Genderforschung Rückschläge einstecken. Von Johanna Böttges

»Gender und Science Fiction«, »Sexuality and Gender in the Middle Ages« und »Geschichte der Männlichkeit in den USA« - von solchen Seminarthemen fühlen sich offenbar immer mehr Kölner Studierende und Lehrende angezogen. 47 »Genderspezifische Veranstaltungen« verzeichnet die gleichnamige Broschüre des Gleichstellungsbüros der Uni Köln für das laufende Semester. In den vergangenen Jahren sind es immer mehr geworden. »Wir können gar nicht mehr alle Veranstaltungen aufnehmen, weil der Platz in der Broschüre begrenzt ist«, sagt Monika Schoop vom Gleichstellungsbüro.

»Gender« bedeutet so viel wie »soziales Geschlecht«. GenderwissenschaftlerInnen betrachten Geschlecht als eine identitätsstiftende Konstruktion, die im sozialen und kulturellen Kontext hergestellt wird. Sie distanzieren sich so von einem biologischen »Geschlechtscharakter«, der Männer und Frauen »von Natur aus« unterscheidet. »Es geht darum, gegen Stereotype anzuarbeiten und zu kritischem Denken anzuregen«, sagt Schoop. »Wenn die Leute an der Uni Genderkompetenz gewonnen haben, können sie später am Arbeitsplatz Diskriminierung entgegenwirken.«

Gender ist eine Kategorie, die alle Lebensbereiche berührt - und alle wissenschaftlichen Disziplinen. Seit 2006 gibt es darum an der Uni Köln den Interdisziplinären genderorientierten Lehrauftragspool (IGL), den Schoop betreut. WissenschaftlerInnen können sich dort um einen Lehrauftrag bewerben, wenn sie eine fachübergreifende Lehrveranstaltung mit Genderschwerpunkt planen. So soll Gender als Analysekategorie an allen Fakultäten etabliert und mehr Studierenden zugänglich gemacht werden.

Das Interesse ist da - auch bei Studierenden der nicht geisteswissenschaftlichen Fakultäten, wo das Angebot an genderbezogenen Veranstaltungen bislang dürftig ausfällt. Es gebe immer wieder Anfragen von Studierenden anderer Fakultäten, die an Genderveranstaltungen der Philosophischen oder Humanwissenschaftlichen Fakultät teilnehmen möchten, sagt Schoop. Interdisziplinäre Angebote kommen gut an. Im laufenden Sommersemester bietet darum erstmals eine Ringvorlesung Einblicke in aktuelle Fragen der Genderforschung in verschiedenen Disziplinen: Beeinflusst das Geschlecht die medizinische Behandlung? Wie viel subversives Potential bergen Komödien wie Verrückt nach Mary?

Mit solchen interdisziplinären Veranstaltungen will das Gleichstellungsbüro auch die Vernetzung der Kölner GenderwissenschaftlerInnen fördern. »Im Moment hängt das Angebot an Einzelpersonen«, sagt Schoop. Ein interdisziplinäres Zentrum für Genderforschung ist zwar seit Langem geplant, doch alle Kandidatinnen für die zugehörige Professur zogen andere Hochschulen dem Kölner Lehrstuhl vor. Nun muss die Stelle ein zweites Mal ausgeschrieben werden.

Auch bundesweit gibt es widersprüchliche Entwicklungen. So werden etwa Emeritierungen gern dazu genutzt, Genderschwerpunkte zu streichen, wenn die Professur neu ausgeschrieben wird. »Aber es gibt auch Neukonzeptionen«, sagt Beate Kortendiek vom Netzwerk Frauenforschung NRW. So habe man an der Uni Aachen kürzlich zwei neue Gender-Professuren eingerichtet. Die Gender Studies bleiben eben Gegenstand ständiger Auseinandersetzungen. »Es ist ein Feld in Bewegung«, sagt Kortendiek. »Aber wir sind immerhin so weit, dass Genderaspekte nicht mehr ausgeblendet werden können.«