Mit bloßen Händen eine lebendige Wollhandkrabbe anzufassen, klingt für manche nach einem Albtraum. Für einige Biologiestudierende der Uni Köln ist das Alltag. Sie können auf einem Schiff, das am linken Rheinufer des Stadtteils Bayenthal liegt, mit modernster Technik die Lebensgewohnheiten dieser und anderer Tierchen untersuchen.
Zur »Ökologischen Rheinstation des Zoologischen Instituts« wurde das Boothaus in einer feierlichen Zeremonie im Jahr 2002. Das Schiff wurde 1953 aus zwei alten Schiffen zusammen geschweißt und ist 60 Meter lang und elf Meter breit. Fahrtüchtig ist es nie gewesen. Es diente lange der Sporthochschule als Basis für Rudertouren auf dem Rhein. Obwohl es heute offiziell zum Zoologischen Institut gehört, dürfen es die Rudergruppen weiterhin mitnutzen. »Erst vorgestern sind noch Boote zur Tour aufgebrochen«, sagt Georg Becker, Dozent am Zoologischen Institut.
Über einen Anlegesteg gelangt man vom Ufer ins Schiff. Im Oberdeck und Unterdeck befinden sich die Forschungslabore und Arbeitsräume für die gewässerbiologische Forschung. Der Forschungsschwerpunkt des Instituts liegt auf wirbellosen Tieren wie Krebsen und Muscheln und den Auswirkungen der zugewanderten Arten auf die heimischen Spezies.
Früher mussten die Studierenden in Gummistiefeln durch den Rhein waten, um an ihre Proben zu kommen. Inzwischen geht das einfacher. Pumpen leiten das Rheinwasser innerhalb weniger Sekunden ins Schiff und buchstäblich vor die Nase der Forschenden. In den Laboren landet es zum Beispiel in Fließwasserrinnen. Auf diesen lagern sich Algen und andere Partikel aus dem Wasser auf Objektträgern ab. So entsteht ein ähnlicher Lebensraum wie auf dem Grund des Flusses.
Ein weiterer Vorzug des Rheinlabors ist, dass hier unabhängig vom Pegel des Rheins geforscht werden kann. Für gewöhnlich sind nämlich Objektträger, um Moose oder Algen zu erforschen, an den Ufern fest installiert und können bei Hochwasser nicht ausgewertet werden. »Aus diesem Grund sind die großen Fließgewässer meist noch nicht ausreichend untersucht«, erklärt Becker. Das Kölner Bootshaus schwimmt hingegen mit dem Pegel. Das macht das Ökologische Rheinlabor der Uni Köln einmalig in Deutschland.
Zurzeit arbeiten sechs Studierende und DoktorandInnen an verschiedenen Projekten. Carolin Führer und Jonas Martin forschen für ihre Bachelorarbeit über das Ernährungsverhalten der chinesischen Wollhandkrabbe im Rhein. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts nach Europa eingeschleppt. Führer untersucht, welche Muscheln diese Krabben öffnen können. Dafür setzt sie die Krabben in die Terrarien mit natürlichem Flusswasser. Sie beobachtet, wie lange die Krabben brauchen, um die ebenfalls vermessenen und markierten Körbchenmuscheln zu öffnen. Jonas Martin untersucht indessen, welche Moose und Algen die Wollhandkrabbe bevorzugt. Die Muscheln und Algen entnehmen die beiden dabei den Fließwasserrinnen und Auffangstationen des Bootes. So können sie unter den natürlichen Bedingungen der Krabbe forschen. Auch Doktorandin Jennifer Wey hat dieses Flusslabor für ihre Forschung genutzt. Sie hat gerade ihre Untersuchungen über Einzeller im Rhein abgeschlossen. »Die speziellen Bedingungen in diesem Labor haben sehr genaue Ergebnisse möglich gemacht«, sagt sie, während sie die letzten Schläuche wegräumt.