An der Fassade des besetzten Gebäudes im Kölner Stadtteil Kalk prangt ein »Herzlich Willkommen«, gleich in mehreren Sprachen. Drinnen nähen einige junge Menschen bunte Kopfbedeckungen für eine »kreative Vermummung«. Kurz zuvor fand ein Workshop für selbstgemachte Elektro-Musik statt, und im Garten sitzen seit Stunden etwa ein Dutzend Menschen und diskutieren über die Frage »Wie hältst du es mit dem Staat?«.
Mitte April besetzten AktivistInnen der Kölner Kampagne Pyranha, die für ein Autonomes Zentrum kämpft, die ehemalige Kantine des Klöckner Deutz Humboldt-Komplexes. Mittlerweile haben sie das geräumige zweigeschossige Gebäude in ein Kulturzentrum verwandelt. In den ersten Wochen fanden beinahe jeden Tag Konzerte, Workshops und Filmvorführungen statt. Sonntags gibt es ein Nachbarschaftscafé, zu dem alle KalkerInnen eingeladen sind. »Wir möchten hier einen Ort schaffen, der frei von kapitalistischer Verwertungslogik ist«, sagt Aktivistin Anna Winter (Name geändert). »Das Autonome Zentrum soll Menschen die Möglichkeit bieten, eine andere Art von Zusammenleben auszuprobieren.«
Das Projekt ist jedoch bedroht: Das besetzte Gebäude gehört der Sparkasse Köln-Bonn - und die lehnt dessen Nutzung als Autonomes Zentrum bisher kategorisch ab. Sie erstattete Strafanzeige gegen die BesetzerInnen. Auch nach mehreren Wochen friedlicher Besetzung hat die Sparkasse ihre rigide Haltung nicht geändert. »Es hat sich nichts geändert. Wir dulden die Besetzung nicht«, sagt Sprecher Norbert Nimwegen.
Die BesetzerInnen bekamen zwar viele positive Rückmeldungen. Grüne und Linke solidarisierten sich mit ihnen, auch die im Stadtrat regierende SPD zeigte sich offen. Der Kalker Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) sagte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger: »Vielleicht passt ein solches Zentrum in das künftige Planungskonzept für das Gebiet Kalk-Süd hinein.«
Die AktivistInnen sind trotzdem auf der Hut. Sie vermuten, dass ein Großteil der verbalen Unterstützung daher kam, dass die Parteien vor den Landtagswahlen auf der Jagd nach Stimmen waren. »Der Wahlkampf hat uns Rückenwind beschert«, sagt Winter. »Was wir jetzt brauchen, sind konkrete Aussagen von Politik und Stadtverwaltung.« Die BesetzerInnen betonen, dass sie bereit sind, gemeinsam mit allen Beteiligten nach einer Lösung für den Konflikt zu suchen. So könnten etwa die BetreiberInnen des Autonomen Zentrums einen Symbolbetrag für die Nutzung des Gebäudes zahlen, während die Stadt die eigentliche Miete übernehmen würde.
Autonome Zentren haben in Kalk schon beinahe Tradition: Bis Anfang 2009 gab es dort die so genannten Schnapsfabrik, die unter anderem eine Siebdruckwerkstatt und ein Fotolabor beherbergte. Auf Anordnung der Stadtverwaltung mussten die BetreiberInnen das Gebäude jedoch aufgeben - Begründung: bauliche Mängel (siehe philtrat Nr. 88). Die in der Schnapsfabrik organisierten linken AktivistInnen schlossen sich daraufhin zur Kampagne Pyranha zusammen. Mit Aktionen wie Lesungen in der Straßenbahn oder einer Tanzdemo verliehen sie ihrer Forderung nach einem neuen Autonomen Zentrum Gehör.
Mehr als ein Jahr nach Räumung der Schnapsfabrik sei es nun Zeit für einen Schritt nach vorn gewesen, sagt Winter. »Die Besetzung macht unsere Forderungen konkret und sorgt für eine öffentliche Diskussion.« Die Resonanz nach den ersten Wochen sei überwältigend. »Inzwischen sind es bestimmt schon 200 Leute, die sich hier engagieren.«