Sie nannten sich Mucki, Sembo oder Fledermaus: die unangepassten Ju- gendlichen im Rheinland der Nazizeit. Als Totenkopfpfadfinder, Edelweiß- piraten und Navajos führten sie ein geheimes Freizeitleben jenseits von Bund Deutscher Mädel und Hitlerju- gend. Auf Wanderungen und Fahrten lebten die Mädchen und Jungen ihre Sehnsüchte nach Selbstbestimmung, Abenteuer und der freien Natur aus und trotzten dem militärischen Drill des Regimes. Im Mittelpunkt dieser gemeinsamen Erlebnisse stand die Musik: selbst gedichtete oder von bün- dischem Liedgut aus der Vorkriegszeit inspirierte Lieder, oft mit der Gitarre begleitet, die unter der nationalsozia- listischen Herrschaft verboten waren.
Da durchstreifen wilde Gesellen das Land, stürmen Kosaken und raufen Vandalen, locken Schanghai und Mexiko in die Ferne. Die Lieder verbanden die Jugendlichen und dienten als Erkennungszeichen. Für die einen drückten sie einen politischen Widerstandsgeist aus, bei den anderen dominierte die Lust auf Abenteuer oder die Freude an der Natur. Für das Regime klang dieser Liederschatz bedrohlich nach Eigensinn und Aufrührerei. Die Lieder galten als Beweismittel für regimefeindliche Aktivitäten, eine Anklage, für die einige jugendliche SängerInnen Haft und Folter erlitten.
Für ihr Buch haben Doris Werheid, Jörg Seyffarth und Jan Krauthäuser die Lieder und Geschichten der Jugendlichen von damals aufgespürt. Initiator des Buchprojekts ist der Edelweißpiratenclub e.V., der seit einigen Jahren unter anderem mit ZeitzeugInnenspaziergängen und dem jährlichen Edelweißpiratenfest im Friedenspark auf die fast vergessene Jugendbewegung aufmerksam macht.
Zusammen mit ausdrucksstarken Fotografien macht der großformatige Band die noch wenig erforschte Geschichte der »Antihitlerjugend« erfahrbar, gemäß der Überschrift eines Kapitels: »Wir suchten Lieder und fanden Menschen«. Eine fantastische Ergänzung ist neben Glossar und Lesetipps die beiliegende CD, eine Collage aus Gesang und Kommentaren der ZeitzeugInnen.