Mülltüten-Rallye

Finnische Studierende erwarten besondere Rituale, wenn sie ihr Studium beginnen. Sie müssen bisweilen in Mülltüten oder Overalls herumlaufen. Von Nina Weinbrenner

Die erste Vorlesungswoche in Köln: Aufgeregte und aufgestylte Studien- anfängerInnen ziehen in Dutzenden durch die Zülpicher Straße. Besonders einfallsreich sind die Kölner Ersti-Rituale nicht. In Finnland geht es ausgefallener zu. Hier tragen die StudienanfängerInnen verrückte Kostüme oder gar schwarze Mülltüten, wenn sie mit ihren neuen KommilitonInnen feiern gehen. Überhaupt weist das Studentenleben in Finnland so einige Besonderheiten auf.

Bunte Overalls sind ein typisches Symbol für das Studentenleben in Finnland. Jede Fachschaft hat eine andere Farbe. die Overalls helfen den Neuen, bei studentischen Veranstaltungen Studierende aus dem eigenen Fach zu finden. Daher ist es in Finnland auch ein ungeschriebenes Gesetz, die Overalls bei studentischen Partys anzuziehen.

Jede Fachschaft kümmert sich um ihre Erstsemester, wie es auch an der Universität Köln in vielen Fächern üblich ist. In den ersten beiden Wochen zeigen die TutorInnen den Erstsemestern, die auf Finnisch »fuksit« heißen, den Campus und erklären ihnen alles

Wichtige. Auch das soziale Leben soll nicht zu kurz kommen, weshalb sie für die Erstsemester Kennenlernabende und Kneipentouren organisieren. Für die Erstsemester gibt es während des ersten Jahres noch zwei wichtige Veranstaltungen. Bei den »fuksiaiset« organisiert jede Fachschaft für ihre Erstsemester eine Stadtrallye, die unter einem bestimmten Motto steht. Entsprechend verkleidet müssen die Neulinge an verschiedenen Stationen kleine Aufgaben erledigen. Sie improvisieren kleine Theaterstücke, singen Lieder, knoten eine Kette aus der eigenen Kleidung oder stellen ihr Allgemeinwissen und ihre Trinkfestigkeit unter Beweis. Nicht jede Fachschaft hat ein Motto für die Rallye. In diesen Fällen ist es häufig Tradition, dass die Studierenden für die Rallye mit einem Müllbeutel bekleidet durch die Stadt laufen.

Das zweite Event ist die »kaste«, eine Art Taufe, die meistens um den ersten Mai stattfindet. Dabei hat jede Fachschaft ihr eigenes Ritual. So müssen sich die Studierenden der Forstwissenschaften der Uni Joensuu im Osten Finnlands sich lustig, seltsam oder auch verrückt anziehen und dann in ihren Kostümen in den Fluss springen. Danach sind sie vollständig in die Gemeinschaft aufgenommen und haben sich das Recht verdient, die »haalarit«, also die farbigen Overalls, zu tragen.

Ein Highlight für alle Studierende sind die sogenannten »sitsit«. Das sind akademische Feiern, die ein Motto haben. Demgemäß sollten die Studierenden sich verkleiden. bei einem Kindergarten-«sitsit« sollten sie also ihr Lieblingsspielzeug und das Lätzchen. Um das Ganze spannender zu machen, werden bestimmte Regeln aufgestellt, zum Beispiel müssen sie ihren TischachbarInnen auf bestimmte Art und Weise zuprosten. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird bestraft. Die AbweichlerInnen müssen dann ein Glas Babynahrung essen oder gar einen Shot Lachsöl runterstürzen.

Das Studium in Finnland ist oftmals noch sehr viel freier, als es die deutschen Bachelor- und Masterstudierenden gewöhnt sind. Zwar müssen die finnischen Studierenden einen Aufnahmetest für die gewünschten Fächer bestehen, doch dann steht es ihnen frei, weitere Nebenfächer zu wählen. So kommt es nicht selten vor, dass sie zu ihrem Hauptfach vier oder fünf Nebenfächer studieren. Möglich wird dies dadurch, dass finnische Studierende keine Studiengebühren zahlen müssen und in der Regel haben alle einen Anspruch auf Ausbildungs- förderung.

Auch die Wohnungsvergabe des Studentenwerks läuft in Finnland anders als man es in Köln gewöhnt ist. Wo KölnerInnen maximal drei Jahre in ihrer Wohnung bleiben dürfen, gibt es in Finnland keine Begrenzung während des Studiums. Auch nach dem Studium gibt es die Möglichkeit, den Vertrag um bis zu zwei weitere Jahre zu verlängern.