Für Berliner StudentInnen, die ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit abschließen, brechen demnächst harte Zeiten an. In Beratungsgesprächen sollen ihnen verbindliche Auflagen erteilt werden. Werden diese nicht erfüllt, folgt die zwangsweise Exmatrikulation.
Am 24. Oktober hat der Akademische Senat der Freien Universität Berlin (FU) mit der Mehrheit der ProfessorInnen und gegen die Stimmen der studentischen VertreterInnen die Zwangesexmatrikulation in die Satzung aufgenommen. Die Änderung muss allerdings erst noch durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur bestätigt werden, die sich in der Vergangenheit kritisch zu Zwangsexmatrikulationen geäußert hatte.
Zwangsberatungen gibt es an den Berliner Universitäten bereits seit 1995. An diesen »obligatorischen Prüfungsberatungen« müssen StudentInnen teilnehmen, die seit zwei Semestern keine Scheine mehr erworben oder die Regelstudienzeit um sechs Semester überschritten haben und noch nicht zur Abschlussprüfung angemeldet sind. Der Anteil der StudentInnen an der FU, die die Regelstudienzeit um mehr als zwei Jahre überschritten haben, liegt bei 18,5 Prozent. Diese Zahl war kürzlich vom Wissenschaftsrat als zu hoch kritisiert worden.
Bislang war die Beratung allerdings mit keinerlei Konsequenzen verbunden und galt als reine Formsache. Das soll sich nach dem Wunsch des Senats der FU nun ändern: In den Beratungsgesprächen sollen den so genannten LangzeitstudentInnen künftig schriftliche Auflagen erteilt werden, die nach Ablauf einer Frist überprüft werden. »Wird die Auflage nicht erfüllt, erfolgt die Exmatrikulation« heißt es in der jetzt geänderten Satzung. Die Vizepräsidentin der FU, Gisela Klann-Delius, verteidigt diese Maßnahme: »Es ist ganz klar, dass das Erteilen von Auflagen überhaupt nur dann ernst genommen wird, wenn sie auch mit so genannten Sanktionen verbunden sind.«
Der AStA der FU kritisiert die Zwangsexmatrikulation scharf. Vorstandsmitglied Konstanze Schwärzer weist darauf hin, dass die hohe Zahl von LangzeitstudentInnen in Berlin ein hausgemachtes Problem sei. »Die Studienbedingungen in Berlin sind besonders schlecht, weil die Berliner Universitäten radikal zusammengespart wurden.« In manchen Fachbereichen sei das Lehrangebot so schmal, dass es sehr schwierig sei, in der Regelstudienzeit zu studieren.
Vizepräsidentin Klann-Delius sieht neben den Zwangsexmatrikulationen weiteren Handlungsbedarf. In vielen Fächern, besonders in den Geisteswissenschaften, lasse das Hauptstudium zu viele Wahlmöglichkeiten offen. Mit dieser Wahlfreiheit seien viele StudentInnen überfordert.
Angesichts dieser Haltung fordert der AStA den Rücktritt des Präsidiums. Unter dem derzeitigen Präsidialamt werde die FU zu einer »Denkfabrik für werdende Fachidioten, zu einer Dienstleistungsinstitution mit angeschlossenem Bildungsangebot«. In einer Presseerklärung weist er darauf hin, dass es auch gute Gründe dafür gebe, länger zu studieren und sich nicht auf den Erwerb von Pflichtscheinen zu beschränken. Zu freier Wissenschaft gehöre auch die »Freiheit bei der Gestaltung des Studiums und der Studienzeit«.
An den anderen Berliner Universitäten sind Zwangsexmatrikulationen derzeit kein Thema. Ulrich Sahm, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Technischen Universität hält nicht viel von obligatorischen Beratungen am Ende des Studiums. Er plädiert für ein studienbegleitendes Beratungssystem, dass die StudentInnen auffange, bevor es zu spät sei.
Der AStA der FU hofft nun, dass die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur der Satzungsänderung nicht zustimmt. In einer vorläufigen Stellungnahme hatte sich die Behörde bereits vor mehreren Wochen ablehnend geäußert und kritisiert, dass die geplante Satzungsänderung nicht kompatibel mit dem Berliner Hochschulgesetz sei. In diesem sei das Thema Prüfungsberatungen bereits abschließend geregelt. Doch LangzeitstudentInnen können deshalb noch lange nicht aufatmen. Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) will StudentInnen, die die Regelstudienzeit »deutlich überschreiten«, künftig 1000 Mark pro Semester zahlen lassen.