Den meisten ProfessorInnen ist klar: Ohne meine Hilfskraft läuft gar nichts. Das Anforderungsprofil einer so genannten »studentischen Hilfskraft« (SHK) reicht vom Taschentragen bis zum Lehrstuhlmanagement. Doch mit der Entlohnung ist es nicht so weit her: Dumpinglöhne von fünf Euro sind keine Seltenheit. Überstunden selbstverständlich inbegriffen
Als die Geschichtsstudentin Andrea K. von ihrem Professor gefragt wird, ob sie an der Herausgabe einer wissenschaftlichen Publikation mitarbeiten möchte, geht ein Traum für sie in Erfüllung: Sie erhofft sich einen praxisnahen Job als Türöffner für eine wissenschaftliche Karriere.
Doch schon nach einem halben Jahr entschied sich die Studentin gegen eine Vertragsverlängerung. »Ich konnte mir den Job einfach nicht mehr leisten.«, erinnert sie sich. Andrea K., die weder BAföG noch finanzielle Unterstützung von den Eltern erhält, musste sehr schnell einsehen, dass sie mit einem Stundenlohn von umgerechnet 8,02 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden nicht weit kam: »Von den 440 Euro, die ich am Monatsende auf dem Konto hatte, konnte ich weder meinen Lebensunterhalt noch mein Studium finanzieren.«
Das bestätigt auch die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen StudentInnenwerks: Sie hat ergeben, dass der monatliche Finanzbedarf für StudentInnen bundesweit bei durchschnittlich 639 Euro liegt. In Großstädten wie Hamburg, München, Köln oder Frankfurt sind es sogar bis zu 769 Euro.
Dabei gehörte Andrea K. noch zu den SpitzenverdienerInnen unter den »studentischen Hilfskräften«. Ihr Stundenlohn von 8,02 Euro entsprach den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL): »Studentische Hilfskräfte« ohne Abschluss (SHK) erhalten danach 8,02 Euro an Universitäten und 5,58 Euro an Fachhochschulen. »Wissenschaftliche Hilfskräfte« (WHK) mit Studienabschluss erhalten 12,69 Euro.
»Mein tatsächlicher Stundenlohn war allerdings viel niedriger«, beklagt sich Andrea K. Bezahlte Überstunden waren in ihrem pauschal vergüteten Vertrag nicht vorgesehen. »Aber wer weigert sich schon, dieses oder jenes noch schnell zu erledigen, wenn der Prof einem bald schon in der Prüfung wieder begegnet?«, fragt die ehemalige »Hilfskraft«.
Die Gewerkschaften kritisieren, dass die TdL-Vergütungen auf dem Stand von 1993 eingefroren und somit seit fast zehn Jahren nicht mehr angepasst worden seien. Hinzu kommt: »Die Empfehlungen der TdL sind als Höchstgrenzen für die Entlohnung der studentisch Beschäftigten zu verstehen«, erläutert Matthias Lauer. Der GEW-Hochschulsekretär für Niederbayern und die Oberpfalz führt weiter aus: »Die einzelnen Bundesländer können die studentischen Löhne also willkürlich festlegen.«
In Bayern zahle beispielsweise fast keine Hochschule mehr als 6,40 Euro pro Stunde. Der Universität Passau sei eine studentische Arbeitsstunde gerade einmal 5,11 Euro wert. »Doch auch das wird noch unterboten«, weiß Lauer zu berichten: »In den fünf neuen Ländern vergüten die Fachhochschulen ihre studentischen Beschäftigten mit Stundensätzen zwischen 4,28 und 4,76 Euro.«
Gerd Köhler, Leiter des Bereichs Hochschule und Forschung im GEW-Hauptvorstand, hält die gegenwärtige Entlohnungssituation der studentischen Beschäftigten für »unanständig«. Während einerseits eine leistungsorientierte Besoldung der ProfessorInnnen die Verdienstmöglichkeiten erweitere, wachse gleichzeitig das Heer der TagelöhnerInnen an den Hochschulen. Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte, aber auch Lehrbeauftragte würden ohne gesicherte Ansprüche durch befristete Kettenverträge just in time verfügbar gehalten, kritisiert der Gewerkschafter. Eine solche Polarisierung der Arbeitsbedingungen vergifte das Arbeitsklima und trage nicht zur Qualitätssicherung bei.
Köhler hält einen Tarifvertrag für lange überfällig. Darin müssten die Entlohnung und andere ArbeitnehmerInnenrechte angemessen geregelt werden. Er weist darauf hin, dass die Gewerkschaften GEW und ÖTV (heute ver.di) sich bereits 1992 mit der TdL auf einen Tarifvertrag für die studentischen Beschäftigten geeinigt haben. »Der hätte nur noch unterschrieben werden müssen«, erinnert er sich. Der Abschluss des fertigen Vertrags sei dann aber an den Bundesländern gescheitert, die bis heute auf ihre extrem niedrigen Löhne nicht verzichten wollten.
Das sieht Norbert Görgens anders. Der stellvertretende Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) weist darauf hin, dass es für eine Erhöhung der Hilfskraftlöhne bislang keine politische Mehrheit gebe. Er hält die gegenwärtigen Stundensätze für »durchaus noch zeitgemäß«. Angesichts knapper Haushalte sei es eben notwendig, »die Wohltaten gleichmäßig zu verteilen«.
Auch aus Sicht der bundesweiten Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gibt es nach wie vor keinen Handlungsbedarf. Auf Nachfrage hat ein HRK-Sprecher auf eine Erklärung aus dem Jahr 1991 verwiesen. Darin heißt es: »Die Hochschulrektorenkonferenz appelliert an die Tarifvertragsparteien, keinen solchen bundesweit gültigen Vertrag abzuschließen.« Das sei im Hinblick auf den sozialen Schutz der Hilfskräfte nicht erforderlich.
Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) hingegen bewertet die Aussichten für eine neue Tarifvertragsinitiative optimistisch und fordert unter anderem 35 Prozent mehr Gehalt für alle studentischen Beschäftigten. Die Umsetzung dieser Forderung entspräche einer Übernahme des Berliner Tarifvertrags im gesamten Bundesgebiet (siehe Kasten).
Der studentische Dachverband kann zwar keine Tarifverhandlungen führen, räumt Vorstandsmitglied Carmen Ludwig ein. Das sei Aufgabe der Gewerkschaften, die wiederum die Unterstützung der Betroffenen brauchten. Aber sie stellt auf studentischer Seite »ein großes Interesse an dem Thema« fest.
Bereits einen Schritt weiter ist man in dieser Frage in Berlin: Die Hauptstadt ist das einzige Bundesland mit einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. »Der stand zwar schon mehrfach kurz vor der Kündigung durch die Arbeitgeber«, räumt Matthias Jähne, GEW-Hochschulreferent in Berlin ein. Trotzdem bestehe er in seiner jetzigen Fassung mit kleineren Änderungen schon seit 1986. Jähne sieht im Berliner Tarifmodell ein mögliches Vorbild für einen bundesweiten Tarifvertrag.
Für Andrea K. käme ein solcher Tarifvertrag in jedem Fall zu spät. Sie hat sich inzwischen dazu entschieden, ihr Studium mit einem besser bezahlten Job zu finanzieren: Sie arbeitet nun für 11 Euro pro Stunde in einem Altenheim.