Ende April soll in der sechsten Hochschulrahmengesetzänderung die vom Bundeskabinett beschlossene Studiengebührenfreiheit für das Erststudium verankert werden. Das für Nordrhein-Westfalen favorisierte Studienkontenmodell wird durch diese Regelung jedoch nicht eingeschränkt.
Der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair (CSU) und seine baden-württembergische Kollegin Annette Schavan (CDU) wollen jetzt eine Verfassungsklage gegen die geplante Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG) anstrengen. Bildungspolitik sei Ländersache und die Studiengebührenregelung im HRG eine Einmischung des Bundes in die Länderpolitik, argumentieren die beiden UnionspolitikerInnen.
Der neue Gesetzesentwurf lässt indes jegliche Hintertür offen. Einzig die Einführung genereller Studiengebühren ab dem ersten Semester wird ausgeschlossen. Solche Gebühren hat aber bis jetzt auch noch kein Bundesland gefordert. Alle anderen Modelle von Studienkonten über Langzeitstudiengebühren bis zum Bildungsgutscheinmodell sind jedoch zulässig. Auch Verwaltungs-, Einschreibe- und Rückmeldegebühren sind von dem Verbot nicht betroffen. Mit anderen Worten: Studiengebühren bleiben weiterhin möglich und erlaubt.
Von entscheidender Bedeutung ist die Definition des Begriffs Erststudium. In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung heißt es hierzu: »Für ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss sowie für ein Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, soll im Hochschulrahmengesetz der Grundsatz der Studiengebührenfreiheit festgeschrieben werden.« Als konsekutive Studiengänge gelten nach diesem Modell Master, Diplom, Magister, 1. und 2. Staatsexamen. KritikerInnen fürchten jedoch, daß zukünftig nur noch der »Billigstudiengang« Bachelor als Abschluss des Erststudiums anerkannt wird. Da im HRG zwar für konsekutive Studiengänge die Gebührenfreiheit festgelegt ist, in besonders begründeten Fällen aber das Landesrecht Ausnahmen vorsehen kann, könnten auch nach der aktuellen Regelung für jede »Weiterbildung« nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss, dem Bachelor, Gebühren erhoben werden.
Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hingegen versichert, mit der HRG-Änderung einen zusätzlichen Anreiz fürs Studium geschaffen zu haben. Deutschland habe im internationalen Vergleich zu wenig StudentInnen. Abschreckende Gebühren könne sich Deutschland nicht leisten, denn für den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes sei man auf immer mehr Hochqualifizierte angewiesen. Die Realität sieht indessen anders aus. Laut der 16. Sozialerhebung des Deutschen StudentInnenwerks ging die Studierneigung der Studienberechtigten seit Anfang der Neunzigerjahre von 76 auf 65 Prozent eines Jahrganges zurück. Besonders stark ist der Rückgang seit Aufkommen der Studiengebührendebatte 1996. Niemand dürfe aus finanziellen Gründen vom Studium abgeschreckt werden, betonte Bulmahn. Gleichzeitig ist jedoch auch in den letzten Jahren die Tendenz ungebrochen, dass die Quote der StudienanfängerInnen aus einkommensschwächeren Familien stetig sinkt.
In Nordrhein-Westfalen propagieren inzwischen die Grünen ein eigenes Gebührenmodell, das vom Studienkontenentwurf der Landesbildungsministerin Gabriele Behler (SPD) nur geringfügig abweicht. Bildungsgutscheine statt Studienkonten fordert Ruth Seidl, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Den von Behler vorgesehenen Aufschlag von 20 Prozent auf den Regelumfang der Semesterwochenstunden kritisiert sie als zu gering. Auch der Verfall des »Restguthabens« für Weiterbildung bei Überschreiten der Regelstudienzeit um mehr als zwei Semester sei nicht akzeptabel. Studiengebühren dürften nicht an die Semesterzahl gebunden sein. Statt der Koppelung der Gebührenfreiheit an ein begrenztes Zeitkontingent favorisiert sie die Bindung an eine feste Zahl von Semesterwochenstunden. Auch wenn nach ihrem Ansatz nach dem Aufbrauchen der freien Semesterwochenstunden sogar fürs Erststudium Gebühren anfallen können, geht es Seidl nach eigener Aussage um die Gebührenfreiheit des Erststudiums.
Kritik an den Schlupflöchern für Langzeitstudiengebühren, Studienkonten- und Bildungsgutscheinmodelle im neuen Gesetzesentwurf für das HRG übt das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS). »Die Ausnahmeregelungen bieten Möglichkeiten zur Einführung von Studiengebühren durch die Hintertür«, so das ABS. Der gebührenfreie Abschluss des Erststudiums hingegen sei nicht gesichert. Die Ursachen für ein überdurchschnittlich langes Studium, wie Kindererziehung, Jobben, unzureichende Strukturierung von Studiengängen und mangelnde Ausstattung der Hochschulen, würden nicht angegangen und blieben im Dunkeln.