Eine Initiative des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow zur Sperrung von Internetseiten sorgt in Nordrhein-Westfalen weiterhin für Aufregung. Nach einer Strafanzeige des Netzaktivisten Alvar Freude ist jetzt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit dem Fall befasst. Freude hat außerdem mit der Internet-Initiative Odem.org eine Unterschriftensammlung gegen die Maßnahmen gestartet.
Büssow hatte im November 2001 Dutzende Provider in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, vier in den USA eingespeiste Internet-Seiten unzugänglich zu machen - drei neofaschistische und eine seiner Ansicht nach jugendgefährdende. Die Seiten wären dann zwar nach wie vor im Netz, in NRW aber nicht mehr abrufbar. BesucherInnen sollten zur Bezirksregierung Düsseldorf weitergeleitet werden.
»Nicht gegen Infrastrukturen, sondern gegen Inhalte vorgehen!« fordern die UnterzeichnerInnen der »Erklärung gegen die Einschränkung der Informationsfreiheit«. Bisher haben unter anderen der Chaos Computer Club, die internationale JournalistInnenvereinigung Reporter ohne Grenzen, diverse JournalistInnen und WissenschaftlerInnen und Bundestagsabgeordnete von SPD, Bündnisgrünen und PDS ihre Unterschrift unter die Erklärung gesetzt.
In der Sperrung der Internet-Angebote sieht Odem eine Einschränkung des »Grundrechts der Informationsfreiheit« und damit einen »gesellschaftlichen Rückschritt«. Selbst Wissenschaft und Forschung seien betroffen. Odem verweist auf Planungen, wonach sogar Hochschulen Sondergenehmigungen bräuchten, um an die zensierten Inhalte zu kommen. Auch JournalistInnen könnten die Seiten nicht mehr abrufen.
Die NetzaktivistInnen befürchten, der Absetzung der Naziseiten könnten bald weitere unerwünschte Seiten folgen. Sie verweisen auf ein Pilotprojekt an der Universität Dortmund. Dort wird ein Filtersystem erprobt, mit dem Internet-Seiten in großem Stil unzugänglich gemacht werden könnten. Freude sieht deshalb die Düsseldorfer Sperrung als »Versuchsballon« an. »Providerseitige Filtersysteme« müssten ausgeschlossen sein, fordert Odem, da das Internet ein Kommunikationsmittel und damit eher mit Telefon und Briefpost vergleichbar sei als mit Fernsehen und Rundfunk.
Die Sperrung der Naziseiten würde außerdem bei der Zielgruppe ihre Wirkung verfehlen und womöglich zu »Mystifizierung und Glorifizierung« der Inhalte führen. »Filtersysteme sind kontraproduktiv«, so das Fazit. Der Düsseldorfer Bezirksregierung wirft Odem vor, nur »aktionistisch« zu handeln. Nötig sei vielmehr, »auf gesellschaftlicher Ebene« gegen die Ursachen von Rechtsextremismus vorzugehen.
Internet-UserInnen können die Erklärung unter www.odem.org unterzeichnen. Im Sommer soll sie der Düsseldorfer Bezirksregierung überreicht werden. Deren Chef Büssow sieht sich selbst nicht als »Wacht am Rhein«, wie es in einem Artikel in der taz geheißen hatte. Die Begründung aus der Bezirksregierung: »Eingriffe in den Datenfluß sind nicht typische Kennzeichen totalitärer Regime.«