Spionier' meinen Kumpel nicht aus!

Big Brother nur für AusländerInnen: Das Ausländerzentralregister in Köln sammelt seit 1953 Daten über MigrantInnen - jahrzehntelang ohne rechtliche Grundlage. Antirassistische Gruppen planen Proteste. Von Gerd Riesselmann

MigrantInnen sind die in Deutschland am meisten erfasste und überwachte Bevölkerungsgruppe. Das Ausländerzentralregister (AZR), geführt vom Bundesverwaltungsamt in Köln-Riehl, ist dabei das zentrale Instrument, auf das alle anderen Ämter, etwa AusländerInnenbehörden, Polizei oder Geheimdienste, zurückgreifen können. Diese Datenbank mit mittlerweile mehr als zwölf Millionen Eintragungen dient vor allem der Überwachung von AusländerInnen, um diese im Zweifel außer Landes schaffen zu können.

Die Nutzungsmöglichkeiten und Befugnisse sind für die deutschen Behörden fast unbegrenzt: Jedes Amt kann im AZR nach AusländerInnen fahnden lassen. Unter dem harmlosen Begriff Gruppenauskunft können außerdem Polizei und Geheimdienste Daten zur Rasterfahndung nutzen. Insbesondere die so genannten Sicherheitsbehörden können den teilweise hochsensiblen Datenbestand des AZR online und ohne effektive Kontrolle abrufen. Mehr als 5400 öffentliche Stellen nutzen die Datensammlung des Registers. Im vergangenen Jahr wurden zwanzig Millionen Fälle bearbeitet.

Diese Praxis stößt inzwischen auf Kritik. DatenschützerInnen haben dem AZR einen »Big-Brother-Award« verliehen. »Geehrt« werden Firmen, Organisationen und Personen, die besonders erschwerend und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen. Das Zentralregister bekam den unbeliebten Preis im Jahre 2000 in der Kategorie »Lebenswerk«.

Nach Ansicht der JurorInnen ist das Register verfassungswidrig. Es verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Gleichheitsgrundsatz. Auch verstoße die Erfassung von nichtdeutschen EU-BürgerInnen gegen europäisches Recht. Die im Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD e.V.) zusammengeschlossenen DatenschützerInnen hoffen, mit der Preisverleihung die öffentliche Diskussion über das AZR zu befördern.

Schnüffeln ohne Rechtsgrundlage

Die zentrale Erfassung von AusländerInnen hat in Deutschland seit der mit der Ausländerpolizeiverordnung eingeführten Ausländerzentralkartei von 1938 Tradition. 1953 schuf die Bundesregierung das AZR zur »verstärkten Überwachung der Ausländer im Bundesgebiet«. Als bis dahin größte bundesweite Datei wurde sie schon im Jahr 1967 automatisiert. Eine gesetzliche Grundlage wurde erst 1994 geschaffen - obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 bemängelte, dass eine solche Datenbank ohne diese verfassungswidrig sei.

Das so genannte AZR-Gesetz war bereits bei seiner Einführung umstritten. So kritisierten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auf ihrer 47. Konferenz im März 1994 in Potsdam die Vermischung polizeilicher und ausländerrechtlicher Daten in der Datenbank. Dies diene nicht dem »Informationsbedarf zur Erfüllung ausländerbehördlicher Aufgaben«, sondern der Kriminalitätsbekämpfung. Nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten dürften derartige Erkenntnisse nicht in das Register aufgenommen werden.

Das AZR interessiert sich nicht nur für Name, Alter, Geburtsort, Adresse und ähnliche Daten, die zur Identifizierung nötig wären. Es werden auch Informationen über den Vollzug der Ehe, die Wohnungsgröße, das Maß der erreichten Integration, die Art und Weise des Lebensunterhalts etc. gespeichert, was das Zentralregister zu einer der größten Datensammlungen der Bundesrepublik gemacht hat. Diese Daten können ausländerrechtlich von Belang sein.

Hinzu kommen so genannte polizeiliche Erkenntnisse, also Daten aus den Datenbanken der Länder- und Bundespolizeien. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Straffälligkeit bei AusländerInnen nicht größer ist als bei Deutschen. Die Betroffenen werden über die Erfassung nicht informiert. Hohe bürokratische Hürden verhindern selbst das verfassungsmäßige Recht auf Auskunft über die eigenen Daten.

AusländerInnen: Kein Datenschutz

Mit dem Volkszählungsurteil leitete das Bundesverfassungsgericht Ende 1983 das »Recht auf informationelle Selbstbestimmung« aus den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes her. Dies gilt aber nicht unbedingt für AusländerInnen. So urteilten die VerfassungsrichterInnen ebenfalls 1983, dass die Führung der AusländerInnenakten keiner speziellen Rechtsgrundlage bedürfe. Grundsätzlich drohten »den Grundrechten der betr. Ausländer bei rechtem Verständnis« keine Gefahr. AusländerInnenakten müssten »im wohlverstandenen Interesse der Ausländer« vollständig sein und dürften deshalb nicht gelöscht werden, auch wenn die Eintragungen für den/die BetroffeneN negativ sind.

Wegen dieser Diskriminierung reichten neun Betroffene 1995 Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Diese ist jedoch bis heute nicht einmal verhandelt worden, obwohl die gesetzlich vorgesehene Diskriminierung von Millionen von Menschen fortdauert. Auch nach dem Regierungswechsel 1998 gab es keine Bestrebungen, die Tätigkeiten des AZR einzuschränken.

Vielmehr verfolgt das Bundesinnenministerium weiterhin das Ziel, den Umfang der Daten und die Befugnisse des Registers auszuweiten. Zwar sprechen sich angesichts der offenen AusländerInnenfeindlichkeit von RechtsextremistInnen alle demokratische Parteien verbal gegen die Diskriminierung von AusländerInnen aus. Tatsächlich aber akzeptieren sie die behördlich institutionalisierte Diskriminierung dieser Menschen nicht nur, sondern treiben sie noch voran.

Das AZR und die Terrorgesetze

Die so genannten Sicherheitspakete I und II von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) weiten die Befugnisse des Zentralregisters und der Behörden, die auf die Daten zugreifen dürfen, noch einmal aus. So dürfen die Geheimdienste jetzt auf alle Daten des AZR ungehindert zugreifen. Dies gilt auch für Gruppenauskünfte zur Rasterfahndung. Dabei muss keine konkrete Gefahr bestehen. Bisher war das »Vorliegen einer konkreten Gefahrensituation« für eine Rasterfahndung notwendig. Da eine solche Gefahr nicht vorlag, wurden beispielsweise die Rasterfahndungen im letzten Herbst von einigen Gerichten für illegal erklärt. Freilich, wie etwa in Nordrhein-Westfalen, nur für deutsche StaatsbürgerInnen. Auch hier zeigt sich, das AusländerInnen nicht die gleichen Rechte genießen wie Deutsche.

Die AusländerInnenbehörden und das AZR sollen nun auch auf Daten der Geheimdienste zugreifen können. Die Dateien, die über jedeN AusländerIn in Deutschland geführt werden, werden also nicht nur wie bisher mit polizeilichen, sondern auch mit geheimdienstlichen Angaben versetzt. Auch sollen biometrische Daten und Fingerabdrücke für alle AusländerInnen gespeichert werden.

Verschiedene Initiativen werfen dem Amt jetzt Rassismus vor und fordern seine Abschaffung:. »Wir denken, dass das AZR eine besondere Relevanz für institutionalisierten Rassismus in der BRD hat. Der alltägliche Skandal der rassistischen Sonderbehandlung findet im AZR einen seiner unverhohlensten Ausdrücke«, schreiben die InitiatorInnen in einer ersten Stellungnahme.

»Seit seiner Einrichtung ist das AZR zentrales Instrument der Sondererfassung aller Nichtdeutschen. Es ist darin strategischer Vorreiter der sozialen Erfassung überhaupt«, so die KritikerInnen. Was beim AZR vorgemacht werde, sei auch in anderen Bereichen zu beobachten. So etwa »im öffentlichen Raum, in den Bahnhöfen und Fußgängerzonen, in der Arbeitsunterwerfung, in der Sozial- und Fürsorgeverwaltung«. Darum habe der Protest gegen das AZR »für den Kampf gegen die totalitären Tendenzen in Deutschland und Europa eine herausragende Bedeutung.«