Der Bundestag hat nach mehr als dreijähriger Kontroverse den Import von Stammzellen aus dem Ausland für »hochwertige Forschungsziele« genehmigt. In der namentlichen Abstimmung stimmten 360 Abgeordnete aller Fraktionen für und nur 190 gegen den bereits im Januar vorgestellten Kompromissantrag von Maria Böhmer (CDU), Andrea Fischer (Grüne) und Margot von Renesse (SPD). Der Antrag sieht vor, den Import von Stammzellen in Ausnahmefällen zu genehmigen, wenn für die Gewinnung keine Embryonen mehr getötet werden müssen.
Nach dem Gesetz dürfen nur vor dem 1. Januar 2002 extrahierte Stammzellen importiert werden, die vor diesem Zeitpunkt als Kulturen in den Labors mit einem kältekonservierenden Verfahren auf Eis gelegt worden sind. »Für deutsche Forschung hat kein Embryo sein Leben zu lassen«, sagte von Renesse. So hatte der Entwurf Ende April noch ein weiteres, von verschiedenen KritikerInnen angemahntes Schlupfloch für die Forschung gestopft, indem sich ForscherInnen künftig strafbar machen, wenn sie von Deutschland aus Beihilfe zur Gewinnung embryonaler Stammzellen im Ausland leisten oder dazu anstiften.
Dieser Passus könnte die Beteiligung von deutschen ForscherInnen am EU-Forschungsrahmenprogramm erschweren. So hatte sich ein Beratungsgremium der Europäischen Kommission am 7. Mai in Brüssel für eine »großzügige Bestimmung bei der Nutzung menschlicher Stammzellen in der Europäischen Union« ausgesprochen. Die so genannte Europäische Ethikgruppe empfahl in einer der Kommission übergebenen Stellungnahme die Patentierbarkeit von Stammzellen. Die Empfehlung solle für Zelllinien gelten, die bereits durch spezielle Verfahren, wie beispielsweise durch die In-Vitro-Technik, veränderte Eigenschaften aufwiesen.
Damit dürfte die Hoffnung, dass die restriktivere deutsche Position sich auf EU-Ebene auf die technischen Bedingungen der finanziell geförderten Stammzellenforschung auswirken könnte, hinfällig sein. Je mehr die GenetikerInnen über die Zusammenhänge zwischen Erbanlagen und Krankheit wissen, desto verlockender ist es, dieses Wissen unmittelbar anzuwenden. Nachdem die Gewebezucht aus embryonalen Stammzellen nun gesetzlich geregelt ist, wenden sich die 25 von Kanzler Gerhard Schröder ernannten ethischen BeraterInnen bereits einer neuen Herausforderung zu: der Präimplantationsdiagnostik (PID). Dieses Verfahren erlaubt es, im Rahmen einer künstlichen Befruchtung Embryonen gezielt nach genetischen Kriterien auszuwählen.
Auch hier eilt das bereits angewandte Verfahren einer gesetzlichen Regelung voraus. Die deutschen EthikerInnen sehen sich mit einer rapiden Entwicklung konfrontiert. Andere europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien, Schweden und Belgien haben schon großzügige Gesetzesvorlagen erstellt, mit denen PID mehr oder weniger freizügig erlaubt ist. Weltweit sind nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bereits mehr als hundert Kinder nach Anwendung der PID geboren worden. Der Abschlussbericht der deutschen Ethikkommission vom 9. Mai vermerkt dazu, es gebe »kein verbürgtes Recht auf ein gesundes Kind«. Daher müsse der Staat bewährte Schutzprinzipien für den Embryo auch nicht abschaffen. Zudem sei eine Beschränkung der PID auf bestimmte Krankheiten kaum möglich, sobald das Verfahren einmal erlaubt sei. Die gesetzliche Regelung zu PID wird dann Sache der nächsten Bundesregierung sein.