Sehr geehrter Herr Alfred Neven DuMont,
es tat mir im Herzen weh, das ausgerechnet Ihr Jubiläum von uns Studierenden getrübt wurde. Ihre Familie und Ihr Verlag hat in den 200 Jahren sich herausragend für Demokratie, Menschenrechte, Zivilcourage und Bildung eingesetzt. Ihr Festakt war daher eigentlich der denkbar unpassendste Ort für unsere spontane Demonstration für freie Bildung.
Leider wurden wir durch eine Landespolitik, die Lösungen nicht im Dialog sondern über die Köpfe der Bürger hinweg macht, radikalisiert. Als Ministerpräsident Wolfgang Clement die Streiks und Demonstrationen von 14 Hochschulen ignorierte und im Rheinufertunnel durch den Hintereingang sich der Bodenständigkeit entzog, brachte er mit seiner Arroganz das Faß zum überlaufen.
Die Reden und leider auch die Aufführungen der Musiker, akustisch über die Saaldecke zu stören, war leider die letzte Möglichkeit das Gespräch mit Herrn Clement zu finden.
Um eine drohende gewaltsame Räumung des Heinrich-Böll Platzes zu vermeiden, suchte ich den Dialog mit dem Polizei Einsatzleiter Udo Behrendes. Das ich bei den 1000 Studierende Gehör fand, den Platz friedlich zu verlassen, wenn Herr Clement sich unseren Anliegen stellt, zeigt, daß meine Ansicht von der Mehrheit mitgetragen wurde.
Unsere Ohnmacht, von nicht genügend Medien beachtet zu werden und das sich ein Landespolitiker erst durch Erpressung den Bürgerinteressen stellt, dann aber auf kein einziges Argument eingeht, zeichnet ein schlechtes Bild von unserer Demokratie.
Daher ist es auch in diesen Tagen ein Lichtblick, daß sich Ihr Verlag durch seine Berichterstattung und besonderes Engagement seiner Mitarbeiter für eine bessere Demokratie einsetzt.
In vielen Gesprächen mit Ihren Gästen erhielt ich hierzu Zustimmung. Aus diesem Grund bitte ich dieses Schreiben an die Musiker - besonders an die Mitglieder des New York Philharmonic Orchestra - und Ihre Gäste weiterzuleiten.
Mit den Erfahrungen dieses Tages wird deutlich, daß man mit Zivilcourage und Dialog mehr erreichen kann, als mit Gewalt und Gesprächsverweigerung.
Möge der Verlag M. DuMont Schauberg auf diesem Wege weiter erfolgreich sein und für eine soziale und liberale Welt viele Menschen und Organisationen als Mitstreiter gewinnen.
Diesen Brief schickte Herr Michel im Namen des Aachener Streikkomitees unaufgefordert an Herrn Neven DuMont und die Kölner Presse.