Im Fall des von der Polizei misshandelten und inzwischen verstorbenen 31-jährigen Kölners Stephan N. will die Staatsanwaltschaft lediglich wegen Körperverletzung im Amt ermitteln und nicht etwa wegen Totschlags. »Dafür wäre der Vorsatz, die Tötungsabsicht, nötig«, begründete Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt das Vorgehen am 27. Mai gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Insgesamt werde gegen sechs Beamte ermittelt. Ihnen drohten Haftstrafen bis zu fünf Jahren. Zwei Polizeibeamte, gegen die Haftbefehl erlassen worden war, sind wieder auf freiem Fuß. Flucht- und Verdunklungsgefahr bestehe nicht, befand der zuständige Haftrichter am vergangenen Freitag. Die Begründung muss indes überraschen: Eine Ermittlungskommission der Polizei hatte am 14. Mai die Privatwohnungen der beiden Tatverdächtigen durchsucht, da diese Beweismittel in Form von Uniformteilen beiseite geschafft haben sollen. Im entsprechenden Polizeibericht war dann auch ausdrücklich von »Verdunklungshandlungen« die Rede.
Öffentlich wurde der Fall Stephan N., als bekannt wurde, dass zwei BeamtInnen den Übergriff ihren Vorgesetzten gemeldet hatten. Eine rechtsmedizinische Untersuchung soll nun klären, ob Stephan N. tatsächlich infolge von Misshandlungen gestorben ist. Er war ins Koma gefallen, als ihm zwangsweise eine Blutprobe entnommen wurde. Vorher war der Zweizentnermann laut Zeugenaussagen auf der Wache Eigelstein in der Kölner Innenstadt gefesselt, mehrfach getreten und geschlagen worden. Ein »deutlich geformtes, frisches Hämatom, nach Art eines Schuhsohlenabdruckes« im Gesichtsbereich, diagnostizierten später die ÄrztInnen.
Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen hat Entlassungsverfahren gegen jene beiden Polizisten eingeleitet, gegen die Haftbefehl erlassen worden war. Alle sechs mutmaßlichen Tatbeteiligten sind vom Dienst suspendiert, Disziplinarverfahren wurden eingeleitet. Steffenhagen will außerdem alle 324 Strafverfahren prüfen, die in den letzten vier Jahren gegen PolizistInnen angestrengt wurden. 90 Prozent davon wurden eingestellt, oft weil Aussage gegen Aussage stand. Die Hälfte aller Verfahren richtete sich gegen BeamtInnen der Wache im Eigelstein-Viertel. Einer der mit Haftbefehl belegten Polizisten soll bereits zwölfmal wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung angezeigt worden sein.
Zeitungsberichten zufolge soll Steffenhagen geschäumt haben, als er von der Häufung der Strafverfahren auf der Wache in der Kölner Innenstadt erfuhr. Der zuständige Inspektionsleiter Jürgen Sengespeik mußte auf Druck von Steffenhagen seinen Hut nehmen und wurde in eine andere Polizeiinspektion versetzt. Eine interne Untersuchung soll Fehler bei der Personalführung aufgedeckt haben. Laut Kölner Stadt-Anzeiger haben inzwischen zwei der sechs beschuldigten Polizisten schriftliche Stellungnahmen gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegeben. Einer rechtfertigt sich damit, dass Stephan N. einen Kollegen getreten habe. Daraufhin habe er den mittlerweile am Boden Liegenden gezielt ins Gesicht geschlagen, um ihn abzulenken. Das habe er bei Polizeilehrgängen zum Thema Eingriffstechniken so gelernt.