Mit Damals, als ich Wunderlich hieß veröffentlicht der renommierte Mannheimer Historiker Hermann Weber eine autobiographische Schilderung seiner Zeit an der SED-Parteihochschule Ende der Vierzigerjahre. Das Buch bietet einen Einblick in eine kurze Phase der Geschichte der KPD, die nicht von Stalin, sondern eher von einem linken Pluralismus geprägt war. Es zeigt aber auch, mit welch brutalen Methoden dieser hoffnungsvolle Neubeginn von der SED-Führung zerstört wurde.
Der 1928 geborene Weber, dessen Forschungsschwerpunkt die Geschichte der kommunistischen Bewegung ist, stammt selbst aus einer kommunistischen ArbeiterInnenfamilie in Mannheim. Sein Vater wurde während des Nationalsozialismus aus politischen Gründen verfolgt und inhaftiert.
1946 tritt der junge Weber in die wieder gegründete KPD ein. Diese war damals noch von undogmatischen Linken wie dem späteren Trotzkisten Willy Boepple geprägt. Viele, die in den Zwanziger- und Dreißigerjahren als Abweichler galten, organisierten sich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in der KPD. Auch der Jungkommunist Weber beschäftigte sich mit dem Werk des Anarchisten Max Stirner, ohne wegen solcher Abweichungen direkt aus der Partei zu fliegen. Es entstand eine relativ offene, von linkem Pluralismus geprägte Atmosphäre. Die Politik der Bolschewisierung, die aus der KPD ab Mitte der Zwanzigerjahre eine monolithische, fraktionslose Partei gemacht hatte, schien überwunden. Anscheinend kehrte die kommunistische Bewegung zu ihren Wurzeln zurück.
1947 wird Weber an die Parteihochschule der SED delegiert. Unter den DozentInnen gibt es viele SozialdemokratInnen und ehemalige Angehörige dissidenter Kleingruppen, die zunächst ohne Angst zu ihren Überzeugungen stehen können. In den Führungsgremien der SED diskutiert man den »deutscher Weg« zum Sozialismus, dem die Sowjetunion nicht mehr als unumstrittenes Vorbild dienen könne.
Dies ändert sich allerdings im Laufe des Jahres 1948. Aus der SED wird eine »Partei neuen Typs« und die Bolschewisierung findet gewissermaßen zum zweiten Mal statt. Auch die KPD macht diese Entwicklung mit. Weber beschreibt eindrucksvoll, wie sich das in der Praxis abspielte. So wird er wegen einiger Picassodrucke, die er in seinem Zimmer an der Wand hängen hat, gemaßregelt und muss sie entfernen. Denn Picasso wird von den IdeologInnen des sozialistischen Realismus verfemt.
Auch an den Biographien der DozentInnen macht Weber die Veränderungen deutlich. Etwa an Frida Rubiner. Sie hatte in den frühen Zwanzigerjahren die Werke von Bucharin, Sinowjew und Trotzki ins Deutsche übersetzt. Nachdem diese Bolschewiki der ersten Stunde von Stalin verfolgt und schließlich ermordet wurden, wird auch sie zu dessen Lobhudlerin. Die Angst vor dem Terror entfaltet ihre Wirkung. Aus selbstständig denkenden kritischen Menschen werden ApologetInnen Stalins. Auch Weber duckt sich, er will die Zeit an der Parteihochschule unbeschadet überstehen.
Wieder im Westen, beginnt er, sich von der Partei zu lösen. Zunächst macht er aber Erfahrungen mit der antikommunistischen Repression der Fünfzigerjahre: Sieben Monate sitzt er 1953 wegen seiner Betätigung für KPD und FDJ in Untersuchungshaft. Dieses Erlebnis bewahrt ihn wohl davor, nach seiner Lösung von der KPD zum Antikommunisten zu werden. Er wird zwar Sozialdemokrat und meint, »die so notwendige bessere, sozial gerechte, friedliche und solidarische Welt« könne »nur auf dem mühsamen Weg der Reformen in der Demokratie gelingen.« Er sagt aber auch: »Ich bin immer davon ausgegangen, dass der Stalinismus nicht die einzige Möglichkeit des Kommunismus ist. Hatte der Kommunismus sich einmal gewandelt, in den Stalinismus, warum hätte er sich nicht zurück in eine nichtstalinistische Erscheinungsform wandeln sollen?«
Hermann Weber: Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten. Die SED-Parteihochschule »Karl Marx« bis 1949. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, 25 Euro.