Sport und Nationalsozialismus - jahrzehntelang galten die Verbindungen zwischen Verbänden und Vereinen auf der einen und dem NS-Regime auf der anderen Seite als unbeschriebenes Blatt. In offiziellen Chroniken tauchte die Zeit zwischen 1933 und 1945 wenn überhaupt nur am Rande auf. Man sei gleichgeschaltet worden und habe sich nicht dagegen wehren können, heißt es in der Regel.
Erst Mitte der Neunzigerjahre lösten Publikationen Diskussionen über das Verhalten einzelner Personen, der Verbände und Vereine in der NS-Zeit aus. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Sportverbände nicht nur problemlos an die von den NationalsozialistInnen vorgeschriebenen Strukturen angepasst, sondern teilweise in vorauseilendem Gehorsam unter anderem die »Judenreinheit« der Verbände organisiert hatten. Als Folge dieser öffentlichen Debatten sind zahlreiche Publikationen über Verbände und Vereine im Nationalsozialismus erschienen, unter anderem auch die von Gerd Kolbe geschriebene Geschichte von Borussia Dortmund (BVB) Der BVB in der NS-Zeit.
Die Leitlinien des Buches finden sich bereits in den Geleitworten von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Gerd Niebaum, dem Präsidenten von Borussia Dortmund. Schröder betont, dass »die Wurzeln der Borussia im Arbeiterquartier um den roten Borsigplatz und in der katholischen Gemeinde der Dreifaltigkeitskirche« den BVB »vor einer braunen Machtübernahme eben doch hinreichend immunisiert« hätten. Niebaum spricht von der »intakten BVB-Familie«, die in der Zeit des Nationalsozialismus von entscheidender Bedeutung gewesen sei.
Verknüpft werden beide Aspekte im Kapitel Der BVB als Opfer - Männer des Widerstandes. Die Arbeit des Platzwartes Heinrich Czerkus im kommunistischen Widerstand in Dortmund war im Verein nach Einschätzung Kolbes und zahlreicher ZeitzeugInnen bekannt, wurde geduldet und gedeckt. Nur so sei zu erklären, betont Kolbe, dass der Vereinsvorsitzende August Busse 1944 Czerkus die Vervielfältigungsmaschine des Vereins zur Verfügung gestellt habe, damit dieser Widerstandspublikationen habe drucken können.
Insgesamt, so Kolbes Einschätzung, habe sich der BVB auf der einen Seite zwar anpassen müssen, sich andererseits jedoch wegen seines Hintergrundes auch widerborstig gezeigt. Er verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die »Einheitssatzung des Deutschen Verbandes für Leibesübungen«, die der Verein 1938 übernommen hat. Diese Einheitssatzung sei dann jedoch nicht durch einen internen »Arierparagraphen« ergänzt worden, wie dies bei anderen Verbänden oder Vereinen der Fall gewesen sei.
Der BVB in der NS-Zeit ist durchaus lesenswert. Es stellt den Vereinsaspekt in den Mittelpunkt, ordnet diesen jedoch in einen größeren Zusammenhang ein. So beschäftigt sich beispielsweise ein Kapitel mit der Geschichte der NSDAP in Dortmund. In die Kapitel, die sich direkt mit dem BVB befassen, sind zudem ZeitzeugInneninterviews integriert, die interessante Einblicke in die Geschichte des Vereins gewähren. Jedoch wäre ein stringenterer Aufbau des Buches sinnvoll gewesen, da viele Aspekte an unterschiedlichen Stellen neu aufgegriffen und fortgesetzt werden.
Gerd Kolbe: Der BVB in der NS-Zeit, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2002, Preis 16,90 Euro.