Viele Leute, viel Blech, viel Genuss

Die aktive HipHop- und Reggae-Szene Frankreichs hat Einiges zu bieten Von Gerd Riesselmann

Das Schöne an einem Frankreichurlaub ist zweifellos die Möglichkeit, ausgiebig gutem Essen frönen zu können. Dies umso mehr, wenn man zu acht reist, und somit nicht zu sehr auf den Geldbeutel gucken muss. Weniger schön allerdings, dass der Kollege von der taz köln sich schon zu Beginn mit sämtlichen verfügbaren Tonträgern von Georges Brassens und Georges Moustaki eingedeckt hat - schließlich sei man ja in Frankreich und so billig seien sie auch nie wieder zu haben. Nichts gegen diese beiden herausragenden Sänger, schließlich ist der Rezensent selber bekennender Degenhardt-Liebhaber. Aber nach einer Woche Beschallung mit dem Lied vom Gorilla geht man dann doch auf dem Zahnfleisch. Also, ab in den nächsten CD-Laden und nach Gegengift gesucht. Angesichts der regen HipHop- und Reggae-Szene in Frankreich müsste sich da doch eigentlich Entsprechendes finden lassen.

In der Tat. Zwei der nach Aussehen und Titel gekauften CDs haben es mittlerweile in meine persönliche heavy rotation geschafft. Da wäre zunächst einmal die aus Nordfrankreich stammende Band Percubaba mit ihrer CD Dream & Strup. Wobei ›Band‹ vielleicht ein bisschen zu tief greift. Allein zwölf Leute stehen bei Percubaba auf der Bühne, einige weitere mischen drum herum noch mit. Die Musik bewegt sich zwischen englisch geprägtem Reggae und Dub, aggressivem HipHop und Ska. Dabei macht sich vor allem die Bläsersektion mit zwei Posaunen, Trompete und Saxophon bezahlt.

Wenngleich Dream & Strup als Album noch etwas unausgewogen ist - das zwölf Minuten lange Swing it, das auf zwei Minuten Swing zehn Minuten abwechselt Stille und Geräusche folgen lässt, hätte es zum Beispiel nicht gebraucht -, so wissen doch einige Titel voll und ganz zu überzeugen und zeigen, welches Potenzial in dieser Gruppe steckt. So etwa Yeux video, ein Midtempo-Reggae mit hypnotischem Dub-Mittelteil, sowie das lärmige, HipHop und Dub mischende Vis de bas.

Ruhiger angehen lassen es die aus Marseille stammenden Raspigaous. Personell ähnlich reichhaltig ausgestattet wie Percubaba und ebenfalls mit einer umfangreichen Blechbläsersektion versehen, spielen sie einen manchmal in Ska verfallenden Reggae, angereichert mit zahlreichen musikalischen Zitaten unterschiedlichster Provenienz. Auf ihrer CD Chiens des Quais singen sie über Repression gegen EinwandererInnen, Solidarität mit den mexikanischen Zapatistas und immer wieder die Revolution, die vergangene französische und die noch ausstehende. Dabei vergessen sie aber nicht das Wichtigste: Zuallererst gute Musik zu machen. Etwa den rein instrumentellen Ska Skamel oder das entspannte Auftaktstück Requiem (à la collaboration).

Percubaba: Dream & Stroup, Foutadawa Prod., 2002, www.percubaba.com.Raspigaous: Chiens des Quais, Raspigassos/Aïlissam, 2001.