Beratung oder Kontrolle?

Die obligatorischen Studienberatungen sollen nicht nur vor Orientierungslosigkeit schützen, sondern auch ein langes Studium verhindern. KritikerInnen fürchten Kontrolle des Studienverlaufs. Von Sabrina Scholz

StudentInnen der Philosophischen Fakultät müssen sich künftig einer ganze Reihe von Beratungen mit verpflichtendem Charakter unterziehen. Neben die AnfängerInnenberatung im ersten und die Orientierungsberatung im zweiten Semester treten im fünften und siebten Semester noch Hauptstudiums- und Examensberatungen. Seit dem Sommersemester 2002 stehen diese obligatorischen Studienberatungen in den Studien- und Prüfungsordnungen. Die Scheine, die dabei ausgestellt werden, müssen ab 2003 bei Prüfungsanmeldungen im Dekanat vorgelegt werden.

Ausgelöst wurden diese Maßnahmen durch eine Bestimmung, die im April 2000 ins Hochschulgesetz aufgenommen wurde. Der Paragraph schreibt fest, dass die Hochschulen sich bis zum Ende des zweiten Semesters über den bisherigen Studienverlauf orientieren, die StudentInnen informieren und gegebenenfalls eine Studienberatung durchführen müssen. Wie die Beratungen durchgeführt werden sollen, bleibt den Instituten selbst überlassen. In Studiengängen mit vielen StudentInnen, wie beispielsweise in der Germanistik, können Hauptstudiumsberatungen nur als Massenveranstaltungen durchgeführt werden. Möglichkeiten zur individuellen Betreuung sind nicht gegeben.

Aufgrund der vielen StudienabbrecherInnen an der Philosophischen Fakultät sei diese neue Regel auf offene Ohren gestoßen, so Brigitte Jacobsen, die Leiterin des Prüfungsamtes der Philosophischen Fakultät. Dies habe die Anregung gegeben, die obligatorischen Studienberatungen durchzusetzen. Aus dem hohen Prozentsatz an AbbrecherInnen schließt man an der Universität besonders auf Orientierunglosigkeit, die durch ein Netz von Studienberatungen aufgefangen werden soll. Gerade das Magisterstudium bringe viele Freiheiten beim Aufbau mit sich, mit denen jedoch nur wenige StudentInnen umgehen könnten. Immer wieder sei es vorgekommen, dass Sprechstunden und Informationsangebote nicht genügend genutzt wurden, so dass sich DozentInnen vor Examensprüfungen beschwerten, den Namen der KandidatInnen noch nie gehört zu haben.

Timo Reuvekamp-Felber vom Institut für deutsche Sprache und Literatur, der selbst als Berater tätig ist, befürwortet teilweise die Änderung der Studienordnung. Die StudentInnen würden damit verpflichtet, über ihr Studium und ihre Fächerwahl nachzudenken. Daher sei in erster Linie die Orientierungsberatung wichtig, um zu verhindern, dass den Betroffenen wegen eines Wechsels oder Abbruchs zu viel Zeit verloren gehe und den BaföG-BezieherInnen Streichungen drohten. Kritisch beurteilt er jedoch die Festlegung auf die Semesterzahl bei der Hauptstudiums- und Examensberatung. Sie entspreche, betont er, der allgemeinen Tendenz, das Studium zeitlich begrenzen zu wollen. Nora Wolf vom SprecherInnenrat der Philosophischen Fakultät sieht die Situation kritischer: Erfahrungen an anderen Hochschulen hätten gezeigt, dass durch die Beratungen auch weitere Kontrollschritte befürchtet werden müssen.

An der Freien Universität Berlin (FU) werden LangzeitstudentInnen Auflagen erteilt, die nach Ablauf einer Frist überprüft werden. »Werden diese nicht erfüllt, erfolgt die Exmatrikulation«, heißt es in der Satzung der FU. Zwar müssen auch an der Kölner Universität die Scheine bei den Einzelberatungen vorgelegt werden, laut Reuvekamp-Felber aber besteht an der Philosophischen Fakultät keine Gefahr, dass jemand unter Druck gesetzt werde. Doch auch hier in Köln müssen die DozentInnen nach der Orientierungsberatung im 2. Semester ankreuzen, ob sie den Betroffenen als »ordentlichen« oder »unordentlichen Studierenden« bewerten.

Den Sinn von Beratungsangeboten will auch Wolf nicht bezweifeln. Die obligatorischen Studienberatungen müssten jedoch vor dem aktuellen hochschulpolitischen Hintergrund gesehen werden: »Die Einführung von Studienverlaufsbögen, Bachelor- und Masterstudiengängen sowie die Modularisierungstendenzen zielen ganz klar auf die Ökonomisierung der Bildung ab, wobei ein breites Bildungsangebot künftig nur noch denen offen steht, die in dieses Schema passen und es sich leisten können.« Wolf befürchtet, dass diese Maßnahmen einen fruchtbaren Boden für umfassendere Einführung von Studiengebühren bereiten.