Hektik hinter den Kulissen

Torben Strausdat ist Leiter des Wahlausschusses, der die Wahlen zum StudentInnenparlament und den Fakultätsvertretungen organisiert. Die philtrat hat ihn während der Vorbereitungen begleitet. Von Volker Elste, Patrick Hagen, Raphaela Häuser

Dienstag morgen 8.30 Uhr: Torben Strausdat steht vor zirka 200 StudentInnen in Aula 2 am Mikrofon. Er will in einer Vorlesung HelferInnen für die Wahlen zum StudentInnenparlament (SP) und den Fakultätsvertretungen anwerben. Zwischen hundert und zweihundert WahlhelferInnen sollen vom 2. bis zum 6. Dezember für den reibungslosen Ablauf der Wahlen sorgen.

Als Anreiz kann Torben 7,70 Euro brutto pro Stunde bieten. Am Abend der Wahlauszählung bekommen die WahlhelferInnen wegen der Nachtarbeit sogar einen Stundenlohn von 8,70 Euro. »Das ist wesentlich mehr als ihr zum Beispiel bei Bundestagswahlen bekommen würdet,« versucht er, Leute für den Job zu begeistern. Die Resonanz ist eher gering. Der übliche Geräuschpegel vor einer Veranstaltung ebbt nicht ab, und auch die Folie, die Torben auf den Tageslichtprojektor gelegt hat, scheint nicht wirklich wahrgenommen zu werden. Nur eine Studentin wird sich bei ihm nach weiteren Informationen erkundigen.

Besser ergeht es ihm bei einer Politikvorlesung mit zirka 300 KommilitonInnen am Nachmittag. Insgesamt vier StudentInnen sprechen ihn direkt nach der Ankündigung an. »Das Problem«, meint Torben, als er die Veranstaltung verlässt, »ist nicht die benötigte Anzahl, sondern dass die Hälfte der WahlhelferInnen nicht zum Kreis der Wahlberechtigten gehören, also nicht an der Kölner Universität studieren darf.« In der Regel werden hierfür StudentInnen der Fachhochschule geworben. »Wirklich diffizil wird die Regelung, wenn in der Wahlwoche Nichtstimmberechtigte ausfallen, da an jeder Urne mindestens eine nicht stimmberechtigte Person sitzen muss.« Für den Wahlausschuss bedeutet dies, penibel auf den Einsatzplan zu achten - und das in einer Zeit, in der Hektik den Tagesablauf bestimmt.

Der Wahlausschuss ist für die Organisation der Wahl zuständig und setzt sich aus 11 Vollmitgliedern und ebenso vielen StellvertreterInnen zusammen. Die im SP vertretenen Gruppen schlagen abhängig von der derzeitigen Fraktionsstärke zwischen einem und vier Mitgliedern vor. Bis zur 80-Stunden-Woche während der Wahl Anfang Dezember wird sich das Arbeitspensum der OrganisatorInnen kontinuierlich steigern. Dann ist der ganze Ausschuss im Dauereinsatz. In der Vorbereitungszeit wenden sie durchschnittlich fünfzehn bis zwanzig Stunden Arbeit pro Woche auf. Vor allem der Wahlleiter hat ein umfangreiches Programm, einige Tätigkeiten sind per Wahlordnung seine alleinige Aufgabe: Er erstellt beispielsweise die Wahlunterlagen und muss den Datenschutz gewährleisten. »Außerdem ist es einfach so, dass der Wahlleiter in der Praxis die meiste Arbeit macht«, erläutert Torben. »Ich muss den Kontakt zur Univerwaltung halten und die Koordination der verschiedenen Tätigkeiten im Auge behalten.«

Insgesamt gibt es in der Wahlwoche zirka 35 Urnen, verteilt auf 27 Standorte an der gesamten Universität. An zentralen Urnenstandorten werden bis zu drei Urnen in der Woche gefüllt, andere Urnen enthalten bei der Auszählung manchmal nur zehn bis fünfzehn Stimmzettel. Wie auch bei Bundestags- oder Kommunalwahlen werden die Behälter vom Wahlausschuss versiegelt, ebenso wie die Räume, in denen Urnen und Stimmzettel nachts gelagert werden. Einen Teil der Urnen konnte der Wahlausschuss von der Stadt Köln erwerben, die inzwischen auf ein elektronisches System umgestellt hat. Von der Stadt leiht man auch die ausklappbaren Wahlkabinen, die den Sichtschutz gewähren sollen. Damit niemand an der Wahlurne bedrängt wird, hat man sich, obwohl nicht in der Wahlordnung vorgeschrieben, auf eine Bannmeile im Umkreis von fünf Metern geeinigt. Dort darf kein Infostand einer antretenden Gruppe stehen und auch kein Informationsmaterial verteilt werden.

Nach seiner Werbetour geht Torben in das Büro des Wahlausschusses, das der AStA zur Verfügung gestellt hat. Bis zur Sitzung des Gremiums am Abend will er sich auf das Referat vorbereiten, das er am nächsten Tag hält. »Schließlich muss ich mich ja auch noch um mein Studium kümmern«, grinst er.

Am Abend erwartet Torben die anderen Mitglieder des Wahlausschusses im Versammlungsraum des AStA. Das eigentliche Büro ist für die Sitzung zu klein. Laut Wahlordnung muss der AStA dem Wahlausschuss einen Raum, Computer und Büroausstattung zur Verfügung stellen. Damit gab es dieses Jahr allerdings Probleme: »Wir konnten bisher nur von zu Hause aus arbeiten, da wir noch keine Computer hatten - ein untragbarer Zustand«, schimpft Torben. Da er aber offensichtlich nicht allzu nachtragend ist, wird er auf seine geplante Zornesrede im StudentInnenparlament am nächsten Tag verzichten. »Der Raum ist ja jetzt da, und damit ist die Sache erledigt«, erklärt er gleichmütig.

Die Tagesordnung für die Sitzung verspricht dem unbeteiligten Beobachter keinen allzu abwechslungsreichen Abend. Auf dem Programm steht naturgemäß hauptsächlich Organisatorisches: WahlhelferInnen müssen angeworben, geschult und versichert werden. Zudem müssen die von den kandidierenden Gruppen eingereichten Listen geprüft und zu Stimmzetteln verarbeitet werden. Außerdem muss eine Wahlzeitung erstellt werden, in der die Selbstdarstellungen der kandidierenden Gruppen abgedruckt werden. »Diese Aufgaben werden den Großteil der Arbeit der nächsten Woche einnehmen«, prognostiziert Torben.

Für die StudentInnenparlamentswahl mit rund 60000 Stimmberechtigten werden nur 10000 Stimmzettel gedruckt: Die Erfahrung zeigt, dass durchschnittlich 7000 StudentInnen zur Wahl gehen, bei Bedarf kann in der Wahlwoche nachgedruckt werden. Zur Stimmabgabe benötigt man neben dem Personalausweis auch den StudentInnenausweis. Dieser wird mit einem Stempel versehen, um zu verhindern, dass doppelt abgestimmt wird. Da es immer wieder vorkommt, dass StudentInnen versuchen, mit einer Studienbescheinigung einen zweiten Stimmzettel zu ergattern, werden die WahlhelferInnen dahingehend geschult. »In der Wahlwoche führt der Wahlausschuss inkognito Kontrollen durch und testet die HelferInnen mit falschen Dokumenten«, berichtet Torben schmunzelnd.

Zur Prüfung der KandidatInnenvorschläge bekommt der Wahlausschuss vom StudentInnensekretariat das WählerInnenverzeichnis. Fünf dicke Ordner füllen die Daten der wahlberechtigten StudentInnen an der Kölner Universität. Mit diesem Verzeichnis müssen alle eingegangenen Kandidaturen abgeglichen werden. Für den Umgang mit den sensiblen Daten gelten strenge Regeln: Das WählerInnenverzeichnis darf weder aus dem Büro des Wahlausschuss genommen, noch kopiert werden. Daten der KandidatInnen dürfen nur auf einem der beiden Computer des Ausschusses gespeichert werden; zudem darf dieser Rechner nicht an das Internet angeschlossen sein.

Beim Treffen des Wahlausschusses sitzen 14 StudentInnen zwischen einem Kühlschrank und zahlreichen leeren Getränkekisten in dem viel zu kleinen und stickigen Raum im AStA. Einige der Anwesenden werden allerdings erst in der SP-Sitzung am nächsten Tag gewählt, was bei ersten Abstimmungen direkt für Verwirrung sorgt. Nach einem ersten Durchgang, der mit einem Patt endet, findet sich in einem zweiten Durchgang, bei dem nur die gewählten Mitglieder abstimmen, eine deutliche Mehrheit.

Als Torben den anderen mitteilt, dass das Campus-Radio mit ihm als Gesprächspartner über die Wahl berichten will und geplant ist, während der Wahlwoche jeden Tag die vorläufige Wahlbeteiligung durchzugeben, kommt etwas Leben in die Sitzung. Die Meinung der Ausschussmitglieder ist in dieser Frage gespalten. Eifrig wird darüber gestritten, ob dies einen Anreiz bietet, zu wählen, oder eher eine abschreckende Wirkung haben könnte. Die Beteiligung an den studentischen Wahlen bewegt sich seit Jahren zwischen 13 und 17 Prozent. Bei den letztjährigen Wahlen betrug sie sogar nur knapp über 12 Prozent. Nicht ganz ernst gemeint macht sich die Runde daran, die Tiefen des menschlichen Charakters auszuloten. »Die Leute wollen immer zur Mehrheit gehören und machen das, was alle machen«, lautet der eine Erklärungsansatz; Jörg Moschner, der für die Wahlparty verantwortlich ist, setzt hingegen auf das Bedürfnis, sich von der Masse abzugrenzen: »Distinktion ist entscheidend«, ruft er in den Raum. Man einigt sich schließlich darauf, die Zahlen zu veröffentlichen und das Beste zu hoffen.

Am nächsten Abend stehen für Torben noch zwei Treffen auf dem Programm. Die Sitzung des StudentInnenparlaments, auf der er als Wahlleiter einen Bericht abliefern wird, und ein Treffen des AK Wahlbeteiligung. Dieser Arbeitskreis, der sich aus StudentInnen aus verschiedenen Fraktionen zusammensetzt, will Möglichkeiten finden, um die seit Jahren niedrige Wahlbeteiligung zu erhöhen. Bisher allerdings ohne Ergebnis. Torben sagt es deutlich: »Es gibt keine konkreten Vorschläge, die wir als Wahlausschuss umsetzen könnten.« Die Frage nach den Ursachen des geringen Interesses an den studentischen Wahlen stellt sich also weiterhin.