Seit Anfang November intensivieren sich bundesweit die studentischen Aktionen gegen die Erhebung von Studiengebühren - an mehreren Hochschulen wurden Streiks beschlossen, Lehrveranstaltungen boykottiert und Aktionstage veranstaltet. Die Proteste richten sich gegen die Pläne der jeweiligen Landesregierungen, die drastischen Kürzungen der Hochschuletats mit einem Bündel verschiedener Gebühren zu flankieren.
In Wiesbaden demonstrierten am 18. November mehr als 45000 Menschen gegen das Sparpaket des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Dieses bezieht die Hochschulen mit Kürzungen in Höhe von dreißig Millionen Euro mit ein - obwohl noch vor einem Jahr ein so genannter Hochschulpakt den Universitäten »finanzielle Planungssicherheit« bis 2005 zugesichert hatte. Zukünftig sollen alle Neueinstellungen wegfallen, die nicht durch Drittmittel finanziert werden - die Folge sei ein langsames Ausbluten der hessischen Hochschulen, befürchten deren VertreterInnen. Die Einnahmen aus den für 2004 geplanten Studiengebühren sind ebenfalls zur Haushaltssanierung vorgesehen. Neben einer obligatorischen Verwaltungsgebühr von fünfzig Euro sollen je nach Studiengang bei Überschreitung der Regelstudienzeit um drei bzw. vier Semester 500 Euro, für ein weiteres Semester 700 Euro und danach 900 Euro kassiert werden. Zweitstudiengänge sollen generell gebührenpflichtig werden und können dann bis zu 3000 Euro im Jahr kosten. »Sie sollen demonstrieren, so lange sie wollen, das gehört zu einer Demokratie dazu - wir werden die Gebühren trotzdem durchsetzen«, zitiert die Streikzeitung der Frankfurter Universität die Reaktion Kochs auf die studentischen Proteste. Am 4. November hatte die Vollversammlung der Hochschule den Streik beschlossen und diesen mehrmals verlängert, ähnliche Initiativen wurden in Gießen, Darmstadt, Kassel und Marburg gestartet.
An der Technischen Universität Berlin wurde ebenfalls Anfang November ein Streikbeschluss verabschiedet. Neben einer Reduzierung der Hochschulfinanzierung um 75 Millionen Euro soll der Haushalt der Hauptstadt durch die Einnahmen aus »Langzeitgebühren« konsolidiert werden. Den Protesten der Berliner StudentInnen schlossen sich auch der Präsident und der Akademische Senat der Technischen Universität Berlin mit einer Unterstützungserklärung an.
»Bildungsschlussverkauf - 10 Prozent auf alles« war einer der Slogans, mit dem am 20. November rund 20000 StudentInnen und DozentInnen in München gegen die Hochschulpolitik ihrer Landesregierung protestierten. Um eben diese Rate soll der bayrische Wissenschaftsetat gesenkt werden, die Ludwig-Maximilian-Universität München soll bis 2008 inflationsbereinigt sogar auf ein Viertel ihrer Mittel verzichten. Philipp Stürzenberger, Mitorganisator der Demonstration in München, verdeutlicht das Ausmaß der Kürzungen: »Selbst wenn die Uni die krassesten Einschnitte machen würde - dazu würde gehören, dass keine einzige freiwerdende Stelle wieder besetzt würde - käme man innerhalb eines Jahres maximal auf sechs Prozent Ersparnis.«
Auch in Niedersachsen wehren sich die StudentInnen gegen Kürzungen, Mitte November protestierten 17000 DemonstrantInnen in Hannover gegen die Einsparungen in Höhe von fünfzig Millionen Euro, verteilt über zwei Haushaltsjahre. Neben zahlreichen Studiengängen, etwa Romanistik und Soziologie an der Uni Hannover, sollen die Fachhochschulen in Nienburg und Buxtehude ganz geschlossen werden. Personalmittelstreichungen werden sich vor allem auf den akademischen Mittelbau, die studentischen Hilfskräfte und die Bibliotheken konzentrieren - also die nicht auf Lebenszeit beschäftigten HochschulmitarbeiterInnen. Das Beispiel Niedersachsen scheint eines besonders gut aufzuzeigen: Wie wenig die hier schon seit längerem erhobenen »Langzeitstudiengebühren« tatsächlich die angekündigten positiven Effekte auf die Situation an den Hochschulen haben.
In der Tat raufen sich angesichts des anscheinend konsequent und flächendeckend durchgeführten Hochschulabbaus mittlerweile auch stramme BefürworterInnen von Studiengebühren die Haare: »Das ist also ein Musterbeispiel für Wahnsinn«, resümierte jüngst Detlef Müller-Böling, Chef des Centrums für Hochschulentwicklung, die bundesweite Sparpolitik.