»Ein besonderes Engagement in der Lehre bringt weder Reputation noch sonstige Vorteile«, konstatierte Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) im September dieses Jahres. Daher wolle man mit dem Hochschulkonzept 2010 neue Anreize schaffen, um Wettbewerb und Qualitätssteigerung zu erreichen. Problem erkannt und frommer Wunsch geäußert, bedauerlich ist dabei nur, dass die für das Konzept zuständigen ReferentInnen im nordrhein-westfälischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung mit ihren Plänen an der Erreichung von Wettbewerb und vor allem Qualitätssteigerung gezielt vorbeigearbeitet haben.
Besagtes Hochschulkonzept 2010 soll eine weitere »Überprüfung und Anpassung der Kapazitäten in relevanten Lehr- und Forschungsbereichen (LFB)« erreichen und die »Aufgabenentwicklung und Profilbildung« an den Universitäten fördern. Wesentlich ist dabei die Identifizierung von Kapazitätszielen und »erfolgreichen« LFB. Die Rechenspielchen des Ministeriums dafür sehen wie folgt aus: Kriterien für die Kapazitätseinstufung sind die Lehrauslastung und die so genannten Normstudienplätze, die auf der Relation von Lehrangebot, Regelstudienzeit und Curricularem Normwert basieren. Erfolgreich darf sich ein LFB dann nennen, wenn er hohe Werte beim relativen Lehrerfolg und Forschungserfolg erzielt. Ersterer wird definiert durch das Verhältnis von AbsolventInnen und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, letzterer durch die Relation von Drittmitteln zu wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. In Köln liegen im entsprechenden Erfolgsdiagramm Fachbereiche wie Philosophie, Geschichtswissenschaften, Romanistik und Germanistik im Idealfeld, während Wirtschaftswissenschaften, Mathematik, Geographie und Slawistik sich in der Problemzone mit zu wenigen AbsolventInnen und Drittmitteln sammeln.
Feststellen will man mit diesem Modell, welche LFB über- oder unterdurchschnittlich im Hinblick auf Lehre und Forschung sind, welche unterausgelastet sind (kritisch wird es unter achtzig Prozent) und eine problematische Arbeitsmarktprognose haben. Mit diesen Informationen ließen sich dann leicht ganze Fachbereiche streichen und an einzelnen Universitäten zusammenfassen, dem Beispiel der Konzentration der Lehrerausbildung an zwei Universitäten in NRW und der Fusionierung von Duisburg und Essen folgend.
Bis Ende 2003 sollen die Universitäten dem Ministerium konkrete Kapazitätsziele für alle LFB und Konzepte für profilbildende Maßnahmen vorlegen. Sprich, Pläne entwickeln, wie sie Unter- und Überauslastungen umgehen, Personalressourcen umverteilen und - wenn nötig - Studiengänge zusammenlegen oder schließen wollen. Darauf basierend sollen dann Verhandlungen mit dem Ministerium zu überarbeiteten Zielvereinbarungen führen, die die Struktur der Hochschullandschaft in NRW verändern werden.
Bei StudentInnen und MitarbeiterInnen der Universitäten in NRW ruft das Konzept wenig Begeisterung hervor. So kommentierte die Fachschaft Kommunikationswissenschaft und technische Redaktion der RWTH Aachen, das Hochschulkonzept nehme eine Stärkung der Profilbildung zum Vorwand, um durch verfehlte Politik entstandene Haushaltslöcher auf Kosten der Qualität der Wissenschaft und insbesondere der Lehre zu stopfen. Der Personalrat der Universität Bielefeld prangert das »Hauruckverfahren« an, mit dem das Konzept umgesetzt werden solle, und befürchtet, das Land wolle damit nur Arbeitsplätze abbauen.
Im Endeffekt wird das Konzept Studienkapazitäten reduzieren und an bestimmten Standorten konzentrieren. Von dem altehrwürdigen Prädikat, ein Ort für die Gesamtheit der Wissenschaften zu sein, werden sich die Universitäten in NRW dann wohl eher früher als später endgültig verabschieden dürfen.