Die Qual der Wahl

Begrüßt und verflucht wird das neue Beerdigungsgesetz. Erstmals sind Beerdigungen auch ohne Sarg gestattet. Das freut vor allem Muslime. Von Vanessa von Gliszczynski

Das im September dieses Jahres in Kraft getretene neue Bestattungsgesetz wurde und wird immer wieder heftig diskutiert. Möglich sind seitdem eine Reihe neuer Bestattungsformen, die bis dato verboten waren. Viele BürgerInnen empfinden dies als eine Liberalisierung, während einige KirchenvertreterInnen es als unangemessen oder sogar entwürdigend bezeichnen.

Besonders im Bereich der Feuerbestattungen eröffnet das Gesetz neue Perspektiven. Die Asche von Verstorbenen kann nun auch auf festgelegten Flächen und auf Seen verstreut oder den Hinterbliebenen ausgehändigt werden. Auch die Bestattung in so genannten Friedwäldern ist nun erlaubt, wobei die Asche unter einem Baum eingegraben wird. Die zunehmende AnhängerInnenschar dieser Bestattungsform begeistert sich für die Idee eines neuen Lebens im Baum.

Die Erweiterung des Beerdigungsgesetzes hat bei KirchenvertreterInnen beider Konfessionen heftige Kritik ausgelöst. Sie befürchten, dass die Totenwürde durch solche Bestattungsmöglichkeiten angetastet wird. Kritisiert wird vor allem die Anonymität und das Fehlen eines festen Grabes beim Verstreuen von Asche. Umstritten ist auch das Aushändigen der Asche an die Hinterbliebenen, denn es stelle sich die Frage, ob die Urne im Haus die ihr gebührende Würde erhielte. Außerdem sei nicht klar, was nach dem Tod der Hinterbliebenen mit einer solchen Urne passieren solle.

Viele BefürworterInnen sehen das Gesetz dagegen als Fortschritt hin zur individuellen Bestattung. Die Menschen seien durch diese Liberalisierung nicht mehr an alte Traditionen gebunden und könnten ihre eigenen Vorstellungen von Beerdigungen besser verwirklichen. Das neue Gesetz kommt auch den vielen verschiedenen Kulturen, die mittlerweile in Deutschland leben, entgegen. MuslimInnen zum Beispiel bestatten ihre Toten traditionell nur im Leichentuch, aber erst die Aufhebung des Sargzwangs ermöglicht ihnen diese Form der Beisetzung auch in Nordrhein-Westfalen.

Aufgrund der vielen Auseinandersetzungen um die Liberalisierung des Bestattungsgesetzes, die schon im Vorfeld zu heftigen Diskussionen geführt hatten, wurde beschlossen, dass jede Stadt beziehungsweise jeder Kreis für die Umsetzung des Gesetzes selber zuständig ist. Das heißt, jede Stadt beschließt im Einzelnen, welche Erweiterungen sie übernehmen will und welche nicht.

In Köln zum Beispiel wurde der Sargzwang nicht aufgehoben, weil die Stadt Angst vor der Überhandnahme von so genannten Discountbeerdigungen hatte. Es wurde aber eingeräumt, dass Anträgen zur Bestattung ohne Sarg in Ausnahmefällen auch stattgegeben würde - zum Beispiel bei der Bestattung von MuslimInnen.