Eine veränderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) könnte demnächst die Studiengebührenregelungen Makulatur werden lassen. In einer Reihe von Urteilen hat der BFH Ausbildungskosten als »vorweggenommene Werbungskosten« und »vorweggenommene Betriebsausgaben« eingestuft. Nach geltendem Recht können sie nur eingeschränkt als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht werden; als Werbungskosten sind sie allerdings unbegrenzt abzugsfähig.
ExpertInnen prophezeien daher Steuerausfälle in Millionenhöhe, wenn die derzeit eingeschriebenen 2,4 Millionen StudentInnen ihr Studium beendet haben. Profitieren würden die AbsolventInnen: Fachliteratur, Computer, Büromaterial, Fahrtkosten oder auch Studiengebühren könnten in den ersten Berufsjahren als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden - solange, bis die gesamten Kosten abgerechnet sind. Eine Regelung, die bisher nur bei einem Zweitstudium oder einer Fortbildung möglich ist.
Die eingeplanten Einnahmen aus den Studiengebühren würden so durch die wegfallenden Steuereinnahmen zum Ärger der Finanzministerien wieder kompensiert. »Die Einführung von Studiengebühren wird damit ad absurdum geführt«, findet Grietje Bettin, bildungspolitische Sprecherin der Grünen. Sie rechnet mit einer Reaktion des Gesetzgebers. Ebenso das Finanzministerium Nordrhein-Westfalens, das seine BeamtInnen anwies, vorerst »im Vorgriff auf eine bundeseinheitliche Lösung ( ) die Aufwendungen weiterhin nur als Sonderausgaben zu berücksichtigen.«
Heinz Worms, Steuerrechtler an der Universität Osnabrück, rät jedoch den StudentInnen: »Belege sammeln, Studiengebühren sammeln, alle Kosten, die im Zusammenhang mit dem Studium entstehen, sammeln, zusammenschreiben und dann im Rahmen der Steuererklärung geltend machen.« Voraussetzung für die künftige Steuerersparnis ist, dass schon während des Studiums jährlich eine Steuererklärung abgegeben wird, in der die studienbedingten Ausgaben als negatives Einkommen verzeichnet sind.
Zunächst werden die Finanzämter »vermutlich die Festsetzung der Verluste von Studenten im Erststudium ablehnen«, räumt Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Christoph Lichtenberg im Deutschlandfunk-Interview ein, »ich rate aber dringend dazu, sich hiervon nicht einschüchtern zu lassen. Ich empfehle vielmehr dann den Rechtsweg.« Es sei, so Lichtenberg weiter, »einfach nicht einzusehen, dass Erst- und Zweitstudium steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Das ist schlicht unsinnig.« SteuerjuristInnen bereiteten sich momentan darauf vor, mit ersten Klagen eine Neuregelung im Sinne der BFH-Urteile umzusetzen. Eines der Urteile hatte beispielsweise erstmals die Kosten einer Promotion als Werbungskosten für steuerlich absetzbar erklärt.
Für die GegnerInnen der Studiengebühren ist der sich abzeichnende steuerliche Interessenkonflikt eine weitere Bestätigung ihres Protests: »Wir haben immer betont, dass wir Studiengebühren aus sozial-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Gründen ablehnen«, erklärt Klemens Himpele, Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS), »spätestens mit diesem Urteil sind Studiengebühren nun auch fiskalpolitisch nicht mehr haltbar.« In einer Presseerklärung weist das ABS darauf hin, dass die bereits existierenden Studiengebühren ohnehin weniger aus bildungspolitischen Motiven eingeführt wurden, sondern eher gesetzliche Schnellschüsse der Länderfinanzministerien zur Haushaltssanierung darstellen - und das mit »zweifelhaftem finanziellen Erfolg«: Das Land Niedersachsen etwa habe bislang durch die Umsetzung des Langzeitgebührenmodells seit 2001 mehr Geld ausgegeben als durch die Gebühren eingenommen. Colin Tück vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften resümiert die Effekte der Studiengebühren: Massenhafte Exmatrikulationen, keinen beachtenswerten Anstieg von Abschlüssen, die Zerstörung der Lebensplanung zahlreicher Menschen und jetzt auch eine Belastung öffentlicher Kassen.
Ob das Studium demnächst voll abzugsfähig sein wird oder nicht: Vorsichtshalber könnte sich wohl auch der Quittungsblock als studentisches Utensil etablieren.