Militär taugt bei Terror nichts

Das Bonn International Center for Conversion erforscht Friedensprozesse und berät bei Waffenkontrollen. Ergebnisse seiner Untersuchung über den Nordirland-Konflikt könnten auch in anderen Fällen hilfreich sein. Von Beate Schulz

Wenn zwei sich streiten, dann forscht der Dritte, so könnte man grob die Arbeit von Friedensforschungsinstituten wie dem Bonn International Center for Conversion (BICC) umreißen. Das BICC wurde vor zehn Jahren unter der Schirmherrschaft von Johannes Rau und dem heutigen UN-Generalsekretär Kofi Annan gegründet. Am Anfang stand eine UN-Konferenz zum Thema Konversion, der Umwandlung militärischer Anlagen in zivile. Gerade nach dem Ende des Kalten Krieges stand diese aufgrund der zahlreichen nun überflüssigen Militärbasen - vor allem in Deutschland - auf der Tagesordnung.

Hier setzte eines der ersten Projekte des BICC an, die Beratung bei der Verwaltung der ehemaligen britischen Militärkasernen in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der steigenden Zahl an bewaffneten Konflikten hat sich das Arbeitsspektrum des BICC inzwischen aber auch um den Bereich der Prävention erweitert. Dabei geht es um Themen wie die ›Ökonomie‹ von Konflikten, die Rolle der Verteilung natürlicher Ressourcen wie etwa Wasser und die Frage nach den ProfiteurInnen eines Krieges. Zurzeit setzt man sich auch mit der Problematik von Ländern in der Grauzone zwischen Krieg und Frieden auseinander. Wie können zum Beispiel in Afghanistan Sicherheitskräfte qualifiziert und vor allem die Zivilgesellschaft gestärkt werden? Ein anderer, nach wie vor aktueller Schwerpunkt ist die Kleinwaffenkontrolle. In Südafrika hatte das BICC bereits bei Abrüstungs- und Einsammlungsprogrammen vor Ort beraten.

Ein - möglicherweise wegweisender - ›Exot‹ unter den Projekten des BICC ist die Analyse des nordirischen Friedensprozesses und der Umsetzung des nordirischen Friedensabkommens. »Bislang war das BICC hauptsächlich praxisorientiert, eine reine längerfristige Erforschung und Begleitung eines Friedensprozesses ist schon ungewöhnlich«, so Corinna Hauswedell, Leiterin des Projekts und Mitherausgeberin des jährlichen Friedensgutachtens.

Die Ergebnisse der Studie sind in einem Dossier als Beilage zur Januarausgabe der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden erschienen, Titel: Der nordirische Friedensprozess - ein Modell? Lehren für eine internationale Einhegung innergesellschaftlicher Konflikte. Denn obwohl das nordirische Wahlergebnis vom November letzten Jahres eine deutlich wachsende politische Frustration der Bevölkerung belegt hat, gilt der nordirische Friedensprozess nach wie vor als möglicher Modellfall für ähnlich gelagerte Konflikte, zum Beispiel in der indischen Provinz Kaschmir. »Dieses Forschungsprojekt war eigentlich beobachtender und nicht beratender Natur wie sonst meistens beim BICC. Aber wenn man laufend mit allen Konfliktparteien zu tun hat, wird man irgendwann auch zumindest in geringem Maße in eine Art Mittler- oder Beraterrolle gezogen«, so Hauswedell.

Untersucht wurde zum Beispiel der Einfluss und Nutzen einer Einmischung von »außen«, im Falle Irlands etwa der USA, der EU oder der UN. Dazu wurden Gespräche mit allen am Friedensprozess beteiligten Gruppen geführt. Das Ergebnis dieser Gespräche vor Ort erlaubt einen gerafften, aber umfassenden Überblick über die Entwicklung in Nordirland in den letzten zweieinhalb Jahren. Deutlich wird, dass externe BeraterInnen im Wesentlichen nur in der Anfangsphase eines Friedensprozesses von Nutzen sind. Ab einem gewissen Zeitpunkt muss die weitere Entwicklung von innen her erfolgen und anderen Beteiligten kann nur eine geringe Bedeutung zukommen - im Fall Irland zum Beispiel den beiden selbsternannten guardians Großbritannien und der Republik Irland sowie dem »wohlwollenden Hegemon« USA. Eine Gratwanderung für externen Einfluss ist dabei die Vertrauensbildung gegenüber unabhängigen TeilnehmerInnen, wie den Entwaffnungskommissionen, deren Ergebnisse von beiden Lagern akzeptiert werden konnten.

Hauswedell formuliert ihre Schlüsse aus der Untersuchung des nordirischen Friedensprozesses vorsichtig als Diskussionsanstöße: Nordirland habe gezeigt, dass militärische Mittel zur Bekämpfung terroristischer Gewalt wenig bis gar nichts taugten. Stattdessen müsse auch den radikalen Konfliktparteien die Möglichkeit zur Teilnahme an politischen Prozessen geboten werden; am Anfang vorzugsweise unter der Schirmherrschaft unparteiischer und vertrauenswürdiger Dritter. Zudem belege der Vorzeigefall Nordirland, dass neben den paramilitärischen gerade auch staatliche Gewaltstrukturen aufgelöst werden müssten. Das betrifft unter anderem auch die nordirischen Polizeikräfte, die zwar nicht ab-, dafür aber umgebaut wurden. Sie haben inzwischen einen deutlich höheren Katholikenanteil und stoßen in der Bevölkerung auf entsprechend mehr Akzeptanz. Hauswedell betont ebenfalls die Bedeutung der Zivilbevölkerung für den Friedensprozess. Diese müsse unbedingt einbezogen werden.

Eine derart umfassende Begleitung und Erforschung eines Friedensprozesses könnte in Zukunft ein umfangreicherer Bestandteil des BICC-Programms werden. Es bleibt aber abzuwarten, ob die Lehren aus dem Beispiel Nordirland bei der Lösung anderer Konflikte Berücksichtigung finden werden. Beate Schulz