In seinem Buch Wer die Hoffnung verliert, hat alles verloren beschäftigt sich Ulrich Peters mit einem immer wieder stark umstrittenen Thema: Dem kommunistischen Widerstand in Buchenwald. Im offiziellen Antifaschismus der DDR war Buchenwald ein Ort undifferenzierter HeldInnenverehrung und wurde zur Legitimation der SED-Regierung benutzt. Von westlicher Seite wurden die in Buchenwald inhaftierten KommunistInnen auf Grund der bürgerlichen Totalitarismustheorie oft mit den Nazis auf eine Stufe gestellt. Ihnen wurde sogar Kumpanei mit den Nazis vorgeworfen. Nach 1989 schien letztere Sicht zu triumphieren, der Kapitalismus als scheinbarer Sieger der Geschichte wollte auch die Sicht auf die Geschichte diktieren. So wurde die Dauerausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald umgestaltet und eine Gedenkstätte für die InsassInnen des sowjetischen Internierungslagers von 1945 bis 1947 errichtet; ungeachtet der Tatsache, dass viele der dort Inhaftierten an den Verbrechen des NS-Faschismus beteiligt waren.
All diesen Vereinnahmungen, Verdrehungen und Diffamierungen setzt Peters eine Sichtweise entgegen, die zugleich angenehm differenziert und antifaschistisch ist. In einer umfangreichen Einleitung setzt er sich mit den westlichen und östlichen Geschichtslegenden auseinander und kommt zu dem Schluss, dass beide nicht zur Findung der historischen Wahrheit beitragen. Vor allem gegen das 1995 von Lutz Niethammer verfasste Buch Der gesäuberte Antifaschismus. Die SED und die roten Kapos von Buchenwald, das die Sicht der gesamtdeutschen Historiographie auf Buchenwald seit 1989 bündelt, bezieht Peters Stellung. Er widerlegt überzeugend den darin unternommenen Versuch, diejenigen kommunistischen Gefangenen von Buchenwald, die Funktionen im Lager übernahmen, zu HandlangerInnen der Nazis umzudefinieren.
»Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht demzufolge in einer keinesfalls denunziatorischen, aber eingehend kritischen Reflexion über den Widerstand, bei der es eben darauf ankommt, nicht die zum Teil geschönte Lesart der DDR-Literatur zu kolportieren, sondern die wirkliche Erfahrung militanter Resistenz, soweit irgend möglich, ans Tageslicht zu bringen.« Diesem Anspruch wird das Buch weitgehend gerecht.
Das Buch ist thematisch gegliedert und versucht dabei, der Chronologie der Lagergeschichte gerecht zu werden. Auch die Rahmenbedingungen des Widerstandes werden behandelt. Dazu gehören die allgemeine Geschichte der KPD und speziell ihre Stellungnahme zum Antisemitismus. Deutlich wird dabei, dass der Widerstand im Konzentrationslager von der Strategie der KPD einschließlich ihrer Irrtümer geprägt war.
Bei der zum Teil sehr detaillierten Darstellung des Widerstandes wird deutlich, dass unter den unmenschlichen Bedingungen eines Konzentrationslagers auch AntifaschistInnen zu menschlich schwierigen Entscheidungen gezwungen wurden. Wenn kommunistische GefangenenfunktionärInnen gezwungen waren, für »wichtige« GenossInnen »unwichtige« Gefangene auf einen Transport in ein Vernichtungslager zu schicken, ist das eine grausame Entscheidung. Es wird aber klar, dass diese Unmenschlichkeit von den Nazis ausging und dass der Widerstand zu solch brutalen Entscheidungen gezwungen war, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten und die Gefangenen im Großen und Ganzen besser schützen zu können. Das ist keinesfalls Ausdruck von Kumpanei mit den Nazis oder gar einer der Nazi-Ideologie vergleichbaren Einstellung.
Peters befasst sich auch mit der Frage, ob es innerhalb der Parteiorganisation des Lagers zu Säuberungen gekommen ist und wie die KPD im Lager mit linken Oppositionellen umging. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Angehörige der rechts-kommunistischen KPD-Opposition hohe Funktionen in der Widerstandsorganisation des Lagers bekleideten. TrotzkistInnen und AnarchistInnen waren aus diesen Strukturen ausgeschlossen. Die Behauptung, die KPD habe linke Oppositionelle absichtlich in den Tod getrieben, lässt sich allerdings nicht beweisen und ist unwahrscheinlich.
Alles in allem ist Peters eine akribisch recherchierte, detaillierte und differenzierte Darstellung des kommunistischen Widerstandes in Buchenwald gelungen. Es ist ein Muss für alle, die sich für die Geschichte des Lagers Buchenwald und allgemein für den Widerstand gegen das Nazi-Regime interessieren.
Ulrich Peters: Wer die Hoffnung verliert, hat alles verloren. Kommunistischer Widerstand in Buchenwald, PapyRossa-Verlag, Köln 2003, 34 Euro.