»Das sind verkleidete Antideutsche!« Der Mann mit der Palästina-Fahne zeigt auf die beiden Redakteure dieser Zeitung. Diese stehen, ordnungsgemäß akkreditiert, in der Schlange im Foyer des Bürgerzentrums Alte Feuerwache und warten auf den Einlass zur Konferenz Stop the wall!, die sich gegen den umstrittenen israelischen Sicherheitszaun richtet. Kurze Zeit später finden sich die beiden auf der Straße wieder. Drei mit umgebundenen Palästinensertüchern uniformierte Ordner, hatten sie tätlich angegriffen und ihnen unter Androhung weiterer Gewalt Hausverbot für das Veranstaltungsgelände erteilt. Das »Vergehen«: Sie waren gesehen worden, wie sie die von einigen pro-israelischen Gruppen organisierte Gegenkundgebung beobachteten.
Mit den Worten »Das hast Du dir selber zuzuschreiben« wurde auch dem Korrespondenten der taz und Autor der philtrat, Pascal Beucker, von einem der Ordner in rüdem Ton eröffnet, er brauche sich gar nicht weiter um Einlass bemühen, denn er werde jetzt ohnehin rausgeschmissen. Erst nach einer Gegenüberstellung konnte er dem Ausschluss als "Provokateur" entgehen.
Noch zwei Tage zuvor hatte Mitveranstalter Jens-Peter Steffen von den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) im Gespräch mit der taz köln KritikerInnen ausdrücklich zur Konferenz eingeladen: »Wir sind offen und suchen das Gespräch«. In einem Leserbrief von Matthias Jochheim, seines Zeichens Schatzmeister der IPPNW, an die taz liest sich das jedoch schon anders: Die VeranstalterInnen hätten sich bereits im Vorfeld darauf geeinigt, »mutmaßliche Provokationsinteressenten abzuweisen«. Das ist die Logik polizeilicher Platzverweise, nicht die eines offenen Kongresses.
Die »Internationale Konferenz für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina« hatte bereits im Vorfeld massive Kritik auf sich gezogen. So hatten mehrere antideutsche Gruppen, die »Solidarität mit Israel« fordern, zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Einige hundert Meter vom Konferenzort entfernt protestierten sie unter dem Motto »Fence out Terror!« für die »Selbstverteidigung Israels« und gegen die »antizionistische Konferenz«. Die KonferenzgegnerInnen verteidigten den Bau der israelischen Grenzbefestigung, die sie für eine legitime Schutzmaßnahme gegen die zahlreichen palästinensischen Terroranschläge halten. Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel griff die Veranstaltung in seiner Rede scharf an. Die Konferenz wolle »Israel das Recht auf Selbstverteidigung gegen den Suizid-Terror nicht einmal in Form eines Zauns zugestehen.« Zur antideutschen Protestkundgebung kamen dennoch nur knapp einhundert Menschen.
Aber nicht nur die Antideutschen lehnten die Veranstaltung in der Alten Feuerwache ab. Zahlreiche KritikerInnen erwarteten eine einseitige Schuldzuweisung an Israel und sahen diese Befürchtung in der »Kölner Erklärung« bestätigt, die Grundlage der Konferenz ist. Die Berliner Historikerin Juliane Wetzel kritisierte in einem Interview mit der Stadt Revue, dass die Selbstmordattentate in der Erklärung »überhaupt nicht« vorkämen. Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) bemerkte »verdächtige Asymmetrien«. Die Erklärung vermeide es, den Terror auf palästinensischer Seite beim Namen zu nennen und ihn zu verurteilen. »Stattdessen spricht man bloß von Gegengewalt«, schreibt er in der Zeitung Graswurzelrevolution.
Auch bei den GlobalisierungskritikerInnen von Attac gab es Streit über die Beteiligung an der Konferenz. Während die Arbeitsgemeinschaft Globalisierung und Krieg zu den Veranstaltern gehörte, kritisierte Hans-Günther Bell vom Arbeitskreis Antisemitismus die »auffallend einseitige« Veranstaltung.
Ein Blick auf die vieldiskutierte »Kölner Erklärung« macht klar, warum die Konferenz auf so viel Widerspruch stieß. Zwar ist dort zu lesen, dass »gewaltlose Kampagnen israelischer und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten« unterstützt werden sollen, aber die klare Forderung nach einem Ende der Terroranschläge entdeckt man dort nicht. Wenn es aber um die israelische Besatzung geht, wird solche Zurückhaltung schnell aufgegeben: »Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen.« Woher die VerfasserInnen diese Gewissheit nehmen, bleibt unklar. Klar ist jedoch, dass so die Verantwortung für die grausamen Terroranschläge auf ZivilistInnen indirekt auf die israelische Seite abgewälzt wird.
Die Zusammensetzung von VeranstalterInnen, TeilnehmerInnen und UnterstützerInnen der Konferenz bot ebenfalls Anlass zur Kritik. Schobert entdeckte hier »lebende Fossile des dumpfen Antiimperialismus und Antizionismus in relevanter Zahl«. Besonders auffällig ist die hohe Zahl von AnhängerInnen der umstrittenen Kampagne »10 Euro für den irakischen Widerstand«. Der Verein Deutsche Freidenker ist hier ebenso vertreten wie die deutsche Zentrale der Kampagne, der Duisburger Initiativ e.V. und Mitarbeiter ihrer publizistischen Vorfeldorganisation Junge Welt. Die 10-Euro-AktivistInnen aus Duisburg durften auf der Konferenz nicht nur Geld für die Kampagne sammeln, sondern stellten auch den Ordnerdienst.
Wer hier zehn Euro losgeworden ist, unterstützt damit die Irakische Patriotischen Allianz (IPA), in der sich unter anderem Mitglieder von Saddam Husseins Baath-Partei gesammelt haben. Die IPA ist für die zahlreichen Terroranschläge im Irak verantwortlich, in einem Beitrag des ARD-Magazins Panorama erklärte einer ihrer Sprecher alle, »die mit der Besatzung kooperieren« für legitime Ziele. Für ihren Anführer, den Baathisten Jabbar Al Kubaysi, sind die irakischen KommunistInnen sogar »noch schlimmer als die Besatzer«; in einem Interview kündigte er an, was diese zu erwarten haben: »Später werden sie vom siegreichen Volk ausgemerzt werden«.
In der Gewaltfrage hat auch der als Unterstützer der Konferenz genannte Günter Ackermann, der unter dem Pseudonym Gerd Höhne auf seiner Website »Kommunisten-Online« alle Register der antisemitischen Verschwörungstheorie zieht, eine eindeutige Position. Er fordert »Null Toleranz« gegen »Antideutsche und Antinationale«: »Will heißen, dass wir überall dort, wo sie auftreten, uns ihnen entgegenstellen und wenn sie provozieren, sie die entsprechende Antwort bekommen - wenn es sein muss, auch mit Einsatz körperlicher Gewalt.« Was das heißt, haben die beiden Redakteure der philtrat zu spüren bekommen.
Die Redaktion der philtrat hat alle VeranstalterInnen und UnterstützerInnen des Kongresses um eine Stellungnahme zu den Vorfällen gebeten. Bis heute ist jedoch keine Antwort eingetroffen.