Nein, sie ist nicht wie Harald Schmidt. Und nein, deshalb muss sie noch lange nicht schlecht sein. Jedoch scheint der Job es mit sich zu bringen, dass man mehr als kritisch beäugt wird, wenn man es wagt, die Nachfolge von Dirty Harry anzutreten. Der Mann war definitiv eine Ikone auf seinem Gebiet. Ein Idol, neben dem man im direkten Vergleich als Late-Night-Talkerin denkbar schlecht dasteht. Auch wenn man Anke Engelke heißt.
Als Harald Schmidt überraschend das Ende seiner Show verkündete, war dies für seine Fangemeinde ein harter Schlag. Und als daraufhin Roger Schawinski, der Chef von Sat 1, Anke Engelke quasi sofort als Nachfolgerin präsentierte, brach ein Sturm aus Protesten und Kritik über sie herein. An einen Erfolg der Ladykracherin schien außer Schawinski niemand so recht zu glauben. Die Frage, ob andere KandidatInnen wohlwollender empfangen worden wären, sei dahingestellt. Jedenfalls stand ihre Show von Anfang an unter einem denkbar ungünstigen Stern.
Am 17. Mai 2004 ging Anke Late Night erstmals auf Sendung. Mit im Gepäck: Die Engelkes und Claus Fischer & The Electric Ladyband. Erstere hat Anke aus ihrer Sendung Ladykracher übernommen. Sie verkörpert darin sechs verschiedene Frauentypen - vom reichen Snob bis hin zur Barbie -, die über aktuelle Themen sinnieren, sei es nun Fußball oder der neue Harry-Potter-Film. Denn eins hat Anke Engelke spätestens seit dem Flop ihrer Sitcom gelernt: Sketche liegen ihr nun mal am besten. Darum hat sie diese fest in ihr Showprogramm eingebaut. Die Themen variieren, je nachdem, was momentan genügend Stoff bietet, wie zum Beispiel die heimliche Hochzeit von Verona Feldbusch. Auch Umfragen auf der Straße sollen zur Lockerung der Stimmung dienen, wobei die Fragen manchmal eher fragwürdig sind: »Könnten Sie mit verbundenen Augen Farben erkennen, wenn wir sie Ihnen vorher nennen?«
Eine weitere bekannte Showeinlage stammt noch aus Ankes Zeit bei der Wochenshow: Die Top 10. Da werden dann Fragen gestellt wie »Woran erkennen Sie, dass Sie gegen Martina Navratilova spielen?« - Platz 1: »Sie haben haushoch gewonnen!«. Die Top 10 waren schon bei der Wochenshow sehr beliebt, von daher ist es nicht schwer nachzuvollziehen, warum sie jetzt auch in Anke Late Night auftauchen.
Allein anhand ihrer Gästeliste ist zu erkennen, dass Anke Engelke aus der Comedybranche kommt. Bernhard Hoecker, Michael Mittermeier, Dieter Nuhr, Mirja Boes: Sie alle haben bereits ihr Stelldichein in der Sendung gegeben. Ansonsten ist das Spektrum recht weit gefächert und reicht von musikalischen Gästen (Brandy, Mousse T.) über FußballerInnen (Rudi Assauer, Steffi Jones) bis hin zu SchriftstellerInnen (Susanne Fröhlich, Moritz von Uslar). Dabei ist ihr anzumerken, dass Engelke wirklich versucht, allen Gästen die gleiche Zeit zur Verfügung zu stellen. Auch wenn das bedeutet, dass sie notfalls überziehen muss.
Jedoch weist die Sendung auch ein paar Schwächen auf. Anke Engelke mag zwar sehr gut darin sein, andere zu beobachten, Typen zu erkennen und diese dann glaubhaft nachzuspielen. Aber für eine Late-Night-Show fehlt ihr noch das Können in einer ganz wichtigen Sparte: Stand-up-Comedy. Harald Schmidts Zoten zu Beginn seiner Sendung sind legendär geworden. Zugegeben, er hat sie nicht selbst geschrieben. Und Anke schreibt sie auch nicht selber, also ist die Qualität der Sprüche ihr nicht direkt zuzuschreiben. Aber die Art, diese vorzutragen, ist von ganz entscheidender Bedeutung. Und da mangelt es ihr leider noch erheblich. Ihre Witze zum Jahrestag des D-Days, zum Beispiel, waren nicht wirklich komisch. Sie hat zwar am Ende noch mal die Kurve gekriegt; das Publikum lachte und applaudierte und zugegebenermaßen kann das auch dem besten Stand-up-Comedian passieren. Aber es zeigte doch, dass sie in dieser Richtung noch Trainingsbedarf hat.
Wenn man es tatsächlich wagen sollte, den direkten Vergleich mit Harald Schmidt zu machen, dann kann man nur sagen: die Sendung ist anders. Denn Anke Engelke ist nicht Harald Schmidt. Ob besser oder schlechter, das ist Geschmackssache.