Spitzel: Historisch interessante Bestandsaufnahme

Von Andreas Bodden

Der Verlag Assoziation A hat ein Buch zu einem in der Linken schon immer heiß diskutierten Thema vorgelegt: Spitzel. Bekanntlich sind Linke ja ein bisschen paranoid und befürchten in allen unbekannten Gesicht StaatsschutzagentInnen. So schotten sich große Teile der Linken in ihrem subkulturellen Szeneghetto ab, verzichten auf Breitenwirkung - und trotzdem gelingt es den Behörden immer wieder , wenn wohl auch eher selten, Spitzel in linken Zusammenhängen zu platzieren. Höchste Zeit also für ein Aufklärungsbuch.

Um dem Wesen des Spitzels auf die Spur zu kommen, gehen die beiden Herausgeber Klaus Viehmann und Markus Mohr sowie ihre 18 AutorInnen bis zu Judas Ischariot zurück, der im Laufe der Zeit zur Projektionsfläche für antisemitische und andere Vorurteile wurde. Das Buch liefert weitere Beispiele für historisches Spitzeltum. So hängt der Einsatz von Spitzeln eng mit der Entstehung der Polizei im 17. und 18. Jahrhundert zusammen. Illustriert wird dies am Beispiel der Pariser Polizei in der Hochzeit des Absolutismus. Auch in Preußen ließ die Obrigkeit beispielsweise missliebige JournalistInnen bespitzeln. Unter ihnen war auch ein Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung: Karl Marx. Marx wiederum beschuldigte 1848 zu Unrecht den Anarchisten Michail Bakunin, ein Spitzel der zaristischen Geheimpolizei zu sein.

Für das 20. Jahrhundert bildet das Deutsche Reich der Jahre 1918 bis 1945 mit drei Beiträgen einen Schwerpunkt. Ein Beitrag widmet sich den Bemühungen der KPD in der Weimarer Republik, die Abwehr von Spitzeln zu systematisieren. In einem »Spitzel-Almanach« waren alphabetisch alle entlarvten »Parteifeinde« mit Personenbeschreibung und teilweise mit Foto aufgeführt. Wie wenig das genutzt hat, wird 1933 an der Verhaftung von Ernst Thälmann deutlich, die wohl auf Verrat zurückging. Welche verheerende Wirkung Spitzel im Nationalsozialismus hatten, wird im Beitrag von Markus Mohr über den Verräter Rambow deutlich. Noch ein Jahr vor Kriegsende lieferte er 280 WiderstandskämpferInnen an die Gestapo aus, von denen 90 hingerichtet wurden. Als Detail am Rande erfährt man, dass Adolf Hitler seine Karriere 1919/21 als V-Mann der Reichswehr in München begann. Später stand er allerdings nicht mehr auf der Lohnliste der Behörden, so dass Verschwörungstheorien in dem Buch keine Nahrung finden.

Der Pluspunkt des Buches liegt eindeutig in den historischen Beiträgen. Diese sind sehr aufschlussreich geschrieben und teilweise spannend wie ein Krimi. Je mehr sich das Buch jedoch der Gegenwart nähert, desto geringer wird der Erkenntnisgewinn, den die Beiträge bieten.

Gegen Ende werden nur noch linke Papiere dokumentiert, die die Entlarvung von Spitzeln bekannt machen. Diese Papiere zeigen jedoch nur die Hilflosigkeit, mit der die betroffenen Zusammenhänge reagieren. Auch wird nicht ganz klar, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte. So bietet das Buch auch keine Hilfestellung auf die Frage, wie die Linke derzeit mit dem Problem umgehen sollte. Hier bleibt es bei der Bestandsaufnahme.

Spitzel. Eine kleine Sozialgeschichte, Assoziation A, Berlin 2004, 18 E,uro.