Niemandem, der die Bucherscheinungen der letzten Jahre verfolgt hat, wird entgangen sein, dass sich ein ganz bestimmter Trend aus dem Norden Europas langsam aber sicher den Weg gen Süden gebahnt hat. Skandinavische Krimis haben Hochkonjunktur, ihre AutorInnen anscheinend das Anliegen, das hiesige von Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga geprägte Bild vom idyllischen Norden nachhaltig zu zerstören. Wer kennt nicht Henning Mankell und seinen Kommissar Wallander, der es schon mit mehr als einem grausigen Mord zu tun hatte? Neben dem berühmten Schweden ist in den letzten Jahren jedoch noch eine ganze Menge anderer SchriftstellerInnen ins Blickfeld der Krimifans gerückt.
Island, das eigentlich gar nicht zu Skandinavien gehört, mischt trotz geringer Kriminalitätsrate im eigenen Land ordentlich mit im internationalen Krimigeschäft. Zu verdanken ist dies in erster Linie Arnaldur Indridason. Bereits in seinem ersten Krimi, Nordermoor, der in Deutschland 2003 bei Bastei Lübbe erschien, gelingt es dem Isländer, die Atmosphäre seiner Insel perfekt in die Geschichte zu integrieren. Im dunklen Herbstwetter untersuchen Kommissar Erlendur und sein Kollege Sigurur den Mord an einem alten Mann, auf dessen Computer die Polizei Unmengen von Pornofilmen gefunden, und neben dessen Leiche der Mörder eine rätselhafte Botschaft hinterlassen hat. Im Laufe der Ermittlungen wird klar, dass mit diesem Fall menschliche Tragödien verbunden sind, die durch die moderne Gentechnologie überhaupt erst ans Tageslicht kommen konnten. Von Tragödien, unter anderem in Kommissar Erlendurs eigenem Leben, handelt auch Indridasons zweiter Roman Todeshauch. Der vierte ins Deutsche übersetzte Roman des Autors ist unter dem Titel Gletschergrab für Februar 2005 angekündigt.
Kann Island entsprechend seiner EinwohnerInnenzahl nur mit wenigen KriminalautorInnen aufwarten, ist ihre Anzahl in Schweden geradezu erschlagend. Bereits zwischen 1965 und 1975 wurde in Schweden das Fundament für diese Literatur gelegt, und zwar von dem Autorenduo Maj Sjöwall und Per Wahlöö. Heute sind es Namen wie Åke Edwardson und Liza Marklund, die den Verlagen die höchsten Quoten bescheren. Marklunds Heldin Annika Bengtzon, Journalistin wie die Autorin selbst, verfolgt in dem im August 2004 bei Hoffmann und Campe erschienenen Roman Der Rote Wolf die Spur eines Terroristen, der nach dreißig Jahren im Exil nach Schweden zurückkehrt, um alte Rechnungen zu begleichen.
Eine Frau in der Hauptrolle gibt es auch bei Leena Lehtolainen, zurzeit Finnlands bekannteste Krimiautorin. Maria Kallio, Polizistin und Juristin, schafft es immer wieder, sich erfolgreich sowohl gegen männliche Kollegen als auch Verbrecher zu behaupten, gerät aber in Zeit zu sterben (Rowohlt 2002) an die Sozialarbeiterin Säde. Diese hat es satt, misshandelten Frauen nur mit Worten zu helfen, und startet einen Rachefeldzug gegen die brutalen Ehemänner und Söhne.
Natürlich haben Krimis aus dem Norden außer ihrer Herkunft nicht viel gemeinsam. Themen, Charaktere und Stile erstrecken sich über eine breite Palette, und wer nun Lust bekommen hat, den einen oder anderen Krimi zur Hand zu nehmen, darf auch die AutorInnen aus Norwegen und Dänemark nicht vergessen.
Viele weitere Anregungen finden sich auf www.skandinavienkrimi.de.