Menschenrechte am »Tag der Menschenrechte«? Nicht an der Universität Bonn. Als Mitglieder der Uni-Gruppe von Amnesty International (ai) zum 10. Dezember einen Infostand im Hauptgebäude der Universität beantragten, erhielten sie von der Verwaltung eine glatte Absage. »Leider können wir die Aufstellung Ihres Infotisches nicht bewilligen«, teilte die Universität mit. »Das Rektorat hat den Antrag abgelehnt mit dem Hinweis, dass auch aus den Erläuterungen kein hochschulpolitischer oder ein studentischer Bezug erkennbar ist«, hieß es lapidar in einem Schreiben.
Dabei hatte die Amnesty-Gruppe der Verwaltung mitgeteilt, dass es am Infotisch unter anderem darum gehen sollte, die Kampagne »Hinsehen und Handeln - Gewalt gegen Frauen verhindern« vorzustellen. Für die Universität war das, ebenso wie Menschenrechte allgemein, offenbar kein Thema mit hochschulpolitischem Bezug. Die MenschenrechtsaktivistInnen legten umgehend Widerspruch ein, nicht ohne die Universität daran zu erinnern, dass Institutionen der StudentInnenschaft laut Paragraf 72 des Landeshochschulgesetzes zur politischen Bildung und Willensbildung beitragen. Darauf genehmigte die Verwaltung »nach Abwägung des Sachverhaltes« den Tisch. Eine Unterschriftensammlung gegen Menschenrechtsverletzungen in Peru blieb aber untersagt.
Die Amnesty-Hochschulgruppe hatte nicht das erste Mal solche Probleme mit der Verwaltung. Im Sommer wurde eine Mahnwache der Gruppe für den weißrussischen Professor Juri Bandaschewski, der laut ai nach Kritik an der Regierung wegen angeblicher Bestechlichkeit verurteilt wurde, erst nach längerem Hin und Her und einer Intervention des Bonner AStA-Vorsitzenden genehmigt. Ein Aktionsstand zum Thema »Waffen unter Kontrolle« im Juli auf der Hofgartenwiese wurde hingegen laut Amnesty ohne Begründung abgelehnt.
Die MenschenrechtlerInnen nahmen das im Juli zum Anlass, sich an den Kanzler der Universität zu wenden, damit »derartige Behinderungen« künftig unterbleiben. Von dort bekamen sie postwendend, am 29. Juli, eine Eingangsbestätigung ihres Schreibens. Die Anfrage werde »derzeit im Rahmen der Wahrnehmung des allgemeinpolitischen Mandats juristisch überprüft. Bis zu diesem Zeitpunkt ist von der Durchführung entsprechender Veranstaltungen abzusehen«, hieß es unmissverständlich. Die Antwort von Kanzler Reinhardt Lutz an Amnesty vom 15. Oktober konnte dann kaum noch überraschen. Bei Veranstaltungsgenehmigungen müsse auch »die Zulässigkeit der Veranstaltung im Rahmen des hochschulpolitischen Mandats geprüft werden«, behauptete die Universität.
Wie Amnesty ging es auch anderen Gruppen. Laut AStA der Universität Bonn hat die Verwaltung auch Anträge von den Jusos, der Gruppe ORIENTation sowie der studentischen Gruppe des südlichen Kurdistans abgelehnt. Begründung laut AStA: Die Veranstaltungen seien politischer Natur. So berichteten die Jusos, dass eine Veranstaltung ihrer Gruppe erst an dem Tag genehmigt wurde, an dem sie stattfinden sollte. »Obwohl sie bereits vier Wochen zuvor angemeldet worden war«, so Clemens zur Hausen von den Jusos. Daher sei ihnen nichts anderes übrig geblieben, als das Risiko auf sich zu nehmen und für eine Veranstaltung zu werben, für die es vielleicht gar keinen Raum gegeben hätte.
Dass das alles nur Zufall und Missverständnisse sind, glaubt der AStA nicht. Er wirft der Universität »Verschleppungstaktik« vor mit dem Ziel, »jegliche politische Betätigung an der Uni zu unterbinden. Politische Auseinandersetzungen und politisches Engagement sollten als ein Gewinn für die Universität und nicht als Störfaktor angesehen werden«, finden die Jusos.
Auch Amnesty spricht von einem »Maulkorb«. »Wenn einer Hochschulgruppe verboten wird, sich inhaltlich zu ihrem Arbeitsgebiet, in diesem Fall zu den Menschenrechten, zu äußern, dann ist das eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Meinungsfreiheit«, kommentierte ai-Mitglied Lars Bünger.
Besonders ärgert ihn, dass die Universität in jüngsten Äußerungen gegenüber der Lokalpresse den Eindruck erweckt habe, es gehe in Wirklichkeit um Raumprobleme oder um Einhaltung von Fristen. »Das ist offensichtlich nur ein Vorwand, um von inhaltlichen Fragen abzulenken und die Angelegenheit in der Öffentlichkeit herunterzuspielen«, sagte Bünger.
Universitätspressesprecher Andreas Archut nannte den Vorwurf der Zensur eine »rhetorische Entgleisung«. StudentInnengruppen hätten kein »allgemein politisches Mandat«, bekräftigte er die Rechtsauffassung der Universität. »Mit hochschulpolitischen Themen ist uns Amnesty jederzeit herzlich willkommen«.
Der Artikel ist zuerst erschienen in der taz köln vom 14. Dezember 2004, www.taz.de.