Auf dem Tisch stehen Kekse und eine Thermoskanne, die Vorhänge vor den Fenstern schirmen den Raum vor der Hektik auf dem Albertus-Magnus-Platz ab. Der Ziviraum im Hörsaalgebäude der Universität macht einen gemütlichen Eindruck. Viele StudentInnen wissen nicht einmal, wo er liegt, und doch gehen hier jeden Tag vier Zivildienstleistende und eine Frau im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) ihrem Dienst nach.
Die Tür des Ziviraumes geht auf und Sylvia Wanitzke, Leiterin der Zivildienststelle der Universität, tritt zusammen mit ihrem Vorgesetzten Rüdiger Müller ein. Beide lassen sich am Tisch nieder, an dem bereits die Zivildienstleistenden Faris Shabli und André Kirchhöfer sitzen. Es ist zwölf Uhr, also haben die Zivis bereits die Hälfte ihres Arbeitstages hinter sich gebracht. Bei Bedarf werden selbstverständlich auch schon mal Überstunden gemacht. Die Tätigkeiten, die die Zivis und FSJlerinnen übernehmen, sind variabel. Unter anderem gehören Betreuungsarbeiten und ab und zu pflegerische Handgriffe dazu, zum Beispiel das Umsetzen in andere Rollstühle oder auch Toilettenhilfe. Wichtige Punkte neben der Unterstützung bei Recherchen und der Buchausleihe sind vor allem auch Mobilitäts- und Mitschreibhilfe. Genauer gesagt heißt das, behinderte StudentInnen zu ihren Veranstaltungen zu begleiten, in einigen Fällen auch zuhause abzuholen, und für sie in den Vorlesungen und Seminaren Aufzeichnungen zu machen, wenn sie selbst nicht in der Lage dazu sind. Die Ansprüche der StudentInnen mit Behinderung sind dabei ganz unterschiedlich. Manche benötigen regelmäßig Hilfe, manche nur ab und zu; andere suchen sich PrivathelferInnen, und selbstverständlich gibt es auch diejenigen, die trotz Behinderung ganz auf Unterstützung verzichten. Zurzeit nehmen zirka 15 bis 20 behinderte StudentInnen die Dienste der Zivis und der FSJlerin Lena Konz in Anspruch, um an der Universität zurechtzukommen.
Hindernisse finden sich an vielen Stellen, trotz aller Bemühungen, diese aus der Welt zu schaffen. Viele von ihnen fallen nichtbehinderten Menschen gar nicht erst auf. Für die wenigen blinden StudentInnen an der Universität Köln ist es beispielsweise jedesmal ein Risiko, den Albertus-Magnus-Platz zu überqueren. Rücksichtslose RadfahrerInnen und FußgängerInnen, die in ihrer Eile schon mal jemanden anrempeln, sind selbst für sehende Menschen manchmal ein Problem. Wie viel größer die Gefahr, umgefahren zu werden oder über jemanden zu stolpern, erst für Blinde ist, kann man nur unzureichend nachvollziehen. Andere Hindernisse finden sich vor allem in den alten Gebäuden in der Meister-Ekkehardt-Straße. Dass es dort keine Lifte gibt, macht es StudentInnen im Rollstuhl unmöglich, alleine in die oberen Etagen zu gelangen. Auch in einigen Teilen des Hauptgebäudes besteht dieses Problem. Eine Hürde sind natürlich auch Türen ohne automatische Öffnungsvorrichtung, die manche StudentInnen ohne Hilfe nicht öffnen können. Und selbst bei den mit Automatik ausgestatteten Türen kann es zu technischen Ausfällen kommen.
Sylvia Wanitzke, die unter anderem Mittel aus dem StudentInnenförderungsfonds beantragen und Bauaufträge weitergeben kann, meint hierzu: »Wir arbeiten stetig daran, die Bedingungen für Studierende mit Behinderungen zu verbessern.« Und tatsächlich finden sich bereits Planungen für ein Blindenleitsystem auf dem Albertus-Magnus-Platz. Angedacht ist auch die Einrichtung eines behindertengerechten WC in den Chemischen Instituten. Eine der letzten Maßnahmen war, dass in den Außeninstituten in der Bernhard-Feilchenfeld-Straße eine Toilette eingerichtet wurde, die auch mit Rollstuhl zugänglich ist.
Über die Frage, ob es an der Kölner Universität manchmal zu Diskriminierungen gegenüber behinderten StundentInnen komme, muss Sylvia Wanitzke einige Minuten nachdenken. Als einziger Vorfall fällt ihr schließlich ein Ereignis vor zirka zwei Jahren ein: Ein Zivi, der auf ihre Anweisung hin einen Teil der Universität auf seine behindertengerechte Ausstattung untersuchte, wurde von einem Lehrenden mit der Frage konfrontiert, warum Behinderte überhaupt an der Universität Köln studieren dürften. André Kirchhöfer und Faris Shabli erklären entgeistert, dass ihnen so etwas noch nicht passiert sei. Sowohl ProfessorInnen als auch StudentInnen seien immer zuvorkommend. Auch von den von ihnen betreuten StudentInnen habe sich noch niemand über Diskriminierungen beklagt.
Die Zivijobs an der Universität sind übrigens recht begehrt. Sylvia Wanitzke muss aus zirka zwanzig bis dreißig Bewerbern vier aussuchen. Bevorzugt werden dabei Bewerber mit Abitur. Und weil es ja schließlich die StudentInnen mit Behinderungen sind, die am meisten mit den Zivis umgehen müssen, haben diese die Möglichkeit, beim Auswahlgespräch mit dabei zu sein. Ein wichtiger Punkt bei der Einweisung ist dann auch die Vorstellung der Personen, die Hilfe durch einen Zivildienstleistenden oder eine FSJlerin bekommen möchten. Bei einer Auswahl unter fünf möglichen HelferInnen ist es aber noch nie passiert, dass jemand aus Antipathie keine Unterstützung annehmen wollte. Bei der Einarbeitung werden die Zivis außerdem mit den Gebäuden und Einrichtungen vertraut gemacht. Es kommt schließlich auch schon mal vor, dass jemand zu einem der zahlreichen Außeninstitute gebracht werden muss. Die Zivis dürften sich besser an der Universität auskennen als manche StudentInnen. In den meisten Fällen lernt auch ein Zivi vom anderen, was wo zu tun ist, weil die vier Stellen zeitversetzt besetzt werden, so dass es immer jemanden gibt, der schon ein wenig über alles Bescheid weiß. Für die wenigen pflegerischen Handgriffe, die anfallen können, gibt es übrigens keine gesonderte Einweisung, sondern lediglich den dreiwöchigen Lehrgang, den alle Zivildienstleistenden irgendwann während ihrer Dienstzeit absolvieren müssen. Auch wenn die behinderten StudentInnen ihren Zivis selbst sagen können, was zu tun ist, besteht hier eventuell noch Verbesserungsbedarf. Die Zivis selbst sagen jedoch, dass sie sich mit der bisherigen Einweisung durchaus gut vorbereitet fühlen. André Kirchhöfer meint: »Wenn alle mit dem nötigen Respekt miteinander umgehen, läuft alles glatt.«
Dass dies tatsächlich der Fall ist, sieht man auch daran, wie oft behinderte StudentInnen einfach so in den gemütlichen Ziviraum kommen, um sich zu unterhalten oder sich zwischen den Veranstaltungen auszuruhen. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Zivis, FSJlerin und StudentInnen führt dazu, dass auch schon mal Dinge getan werden, die der eigentliche Dienst gar nicht verlangt. Wenn beispielsweise Lena Konz mit der blinden Studentin Dominique auf den Weihnachtsmarkt geht, um ihr beim Geschenke besorgen zu helfen, ist das rein freundschaftlich. »Es sind einige, die fast täglich herkommen, obwohl sie eigentlich gar keine Hilfe benötigen«, fügt André Kirchhöfer hinzu.
Mit vier Zivis und der FSJlerin ist die Kölner Universität sicher eine der Hochschulen, die am meisten für StudentInnen mit Behinderungen tun. Eine völlige Barrierefreiheit wäre natürlich ideal, ist allerdings wohl kaum zu erreichen: »Der Idealzustand ist nicht definiert. Wir geben uns Mühe, überall dort nachzubessern, wo wir Handlungsbedarf sehen oder wo uns behinderte Studierende auf Mängel aufmerksam machen«, kommentiert Rüdiger Müller, der Leiter der Abteilung für Studien- und Sozialangelegenheiten der StudentInnen, die Situation.
Die kleine Versammlung im Ziviraum löst sich langsam auf, alle gehen wieder ihren Beschäftigungen nach. Sylvia Wanitzke kehrt zurück ins Büro, die beiden Zivis warten auf die Rückkehr ihrer Kollegen und ihrer Kollegin. Die sind nämlich gerade unterwegs, um dort zu helfen, wo noch nicht nachgebessert werden konnte.