Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat Anfang Januar eine Klage von vier ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern gegen die Entschädigungs-Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« abgewiesen. Bereits zuvor waren die vier Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz-Monowitz, das von der IG Farben gemeinsam mit der SS betrieben wurde, in unteren Instanzen mit Klagen gegen die »IG Farben in Abwicklung« gescheitert, von der sie Entschädigungen von bis zu 39000 Euro forderten.
Das Stiftungsgesetz vom August 2000 sieht pro Person eine einmalige Ausgleichszahlung von umgerechnet höchstens 7600 Euro vor und schließt weitergehende Ansprüche gegen Firmen aus, die in der NS-Zeit von Zwangsarbeit profitierten. Nach dem Beschluss der Karlsruher Richter kann die Entschädigung von insgesamt zirka 1,7 Millionen noch lebender ehemaliger ZwangsarbeiterInnen durch die Stiftung wie vorgesehen im Sommer 2005 beendet werden. Der Stiftung stehen insgesamt rund fünf Milliarden Euro zur Verfügung, die je zur Hälfte von deutschen Unternehmen und von der Bundesrepublik stammen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die in dem Gesetz festgelegte Gesamtregelung verfassungsrechtlich zulässig sei. Zudem gewährleiste sie für die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen eine entschädigungsrechtliche Anerkennung des gegen sie gerichteten Unrechts.
Das Thema Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus war in der Bundesrepublik jahrzehntelang totgeschwiegen worden und rückte erst in den Neunzigerjahren in das Blickfeld der Öffentlichkeit, als in den USA mehrere Sammelklagen gegen Firmen eingereicht wurden, die von Zwangsarbeit profitiert hatten. In jahrelangen Verhandlungen mit der US-amerikanischen Regierung und verschiedenen Opferverbänden bestand die deutsche Verhandlungsdelegation unter dem Vorsitz des FDP-Politikers Otto Graf Lambsdorff vor allem auf der Rechtssicherheit von deutschen Firmen vor US-amerikanischen Gerichten. Eingerichtet wurde die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« erst, als die US-amerikanische Seite dieser Forderung nachgekommen war.
KritikerInnen, denen dieser Ausgleich für das begangene Unrecht nicht weit genug ging, warfen der Bundesregierung vor, die geforderte Rechtssicherheit solle in erster Linie wirtschaftlichen Zwecken dienen. Sie beriefen sich hierbei unter anderem auf Lambsdorff, der diesen Aspekt im Bundestag eindeutig hervorgehoben habe: »Die deutsche Wirtschaft erhält auf der Grundlage der Stiftung die für ihre Aktivitäten in den USA erforderliche Rechtssicherheit. Diese Rechtssicherheit berührt unmittelbar deutsche Exporte und Investitionen in Amerika.«
Exakte Angaben über die Gesamtzahl ehemaliger ZwangsarbeiterInnen im nationalsozialistischen Deutschland liegen nicht vor. Allein für Köln geht man von einer Zahl von rund 100000 ZwangsarbeiterInnen aus. In Auschwitz-Monowitz, dem Lager der IG Farben, sind nach Schätzungen etwa 25000 InsassInnen ums Leben gekommen.