Ein Vergnügen waren sie wahrlich nicht für Jens Voigt: Die legendären 21 Spitzkehren hinauf nach Alpe d´Huez, einem der magischen Etappenzielorte der Tour de France. Im Gegenteil: Für den deutschen Radprofi wurden sie zur Tortur. Voigt, der für den dänischen Rennstall CSC startete, wurde von deutschen ZuschauerInnen als »Vaterlandsverräter« beschimpft, bespuckt und gnadenlos ausgebuht. Am Tag zuvor hatte er für seine Mannschaft einen Ausreißversuch des T-Mobile-Fahrers Jan Ullrich, des deutschen Radsportlieblings schlechthin, zunichte gemacht.
Nach dem Ende des Spießrutenlaufs führte Voigt im Interview mit dem ZDF den unsachlichen Kommentar von Hagen Bossdorf, dem ARD-Reporter vom Vortag, als Grund für das Verhalten der ZuschauerInnen an. Das ZDF blendete sich abrupt aus dem Interview mit dem maßlos enttäuschten Voigt aus. Schelte für einen Kollegen, auch vom anderen öffentlich-rechtlichen Sender, durfte einfach nicht sein.
Technische Probleme seien für den Ausstieg verantwortlich gewesen, rechtfertigte sich das ZDF halbherzig, als die »Affäre Voigt« in der Tagespresse aufgegriffen und über die zahlreichen Verbindungen zwischen Bossdorf und Ullrich beziehungsweise T-Mobile berichtet wurde. Dass der Radsportexperte der ARD bei Veranstaltungen von T-Mobile als Moderator fungierte etwa. Oder dass Bossdorf die pünktlich zum Start der Tour de France erschienene Autobiografie von Ullrich geschrieben hatte, was ihm in der Süddeutschen Zeitung die Bezeichnung als »hagiographischer Wasserträger« des radfahrenden deutschen Heroen einbrachte. Auch der Umstand, dass das Logo der ARD werbewirksam die Trikots der T-Mobile-Mannschaft zierte, wurde kritisch hinterfragt.
Als Werbepartner des Deutschen Fußball Bundes (DFB) und des Nationalen Olympischen Komitees traten die beiden öffentlich-rechtlichen Sender bei der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Spielen in Athen nicht in Erscheinung. Wie aber auch bei der Tour de France herrschte das Prinzip vor, über beide Sportereignisse als deutsche Meisterschaften mit internationaler Beteiligung zu berichten. Endlose Expertengespräche mit Franz Beckenbauer oder Günter Netzer waren vor Spielen der deutschen Fußballmannschaft die Regel. Dazu natürlich Stimmungsberichte en masse aus dem Quartier der DFB-Elf. Wenn Deutschland nicht gegen den Ball trat, gab es als Einstimmung hingegen nicht viel mehr als die Mannschaftsaufstellungen.
Bei den Olympischen Spielen in Athen waren die »Gute-Nacht-Talkrunden« mit Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann zu neunzig Prozent mit deutschen SportlerInnen und Delegationsmitgliedern besetzt. Internationale Gäste wurden allenfalls als dekorative Beigabe eingesetzt oder wenn es sich, wie im Fall des US-amerikanischen Schwimmstars Michael Phelps, überhaupt nicht vermeiden ließ.
Als wäre dies alles noch immer nicht genug, durfte zu guter Letzt auch noch Maybrit Illner in Berlin Mitte mit exquisiten Gästen wie Michael Stich, Jürgen Hingsen und der einst wegen Dopings gesperrten Katrin Krabbe das schlechte Abschneiden des deutschen Olympiateams diskutieren. Ergebnis: Wir können ja nicht gewinnen, wenn alle anderen ohne Ende dopen. Übrigens: Der deutschen Equipe im Springreiten wurde Ende des Jahres die Medaille aberkannt, weil eines der Pferde mit einer Salbe behandelt wurde, die auf der Dopingliste steht.