»Scheiß-Werbung« poltert Thomas Warnau von der Lust angesichts der überschaubaren Menge an BesucherInnen, die sich am 4. Mai 2005 auf dem Albertus-Magnus-Platz zur Antistudiengebührenveranstaltung des AStA eingefunden hat. Dieser hat ein paar Bands eingeladen, die vor rund fünfzig Schaulustigen musizieren, einige wenige Redebeiträge überbrücken die Umbaupausen, Hochschulgruppen haben Infotische und verteilen Flugblätter an die Anwesenden. Thomas Warnau wippt mit dem Fuß und trinkt ein Bier.
Seine Hochschulgruppe habe auf einen eigenen Stand verzichtet, da sie hier nicht ihr WählerInnenspektrum vermutet. »Wir holen unsere Stimmen bei den Wahlen zum StudentInnenparlament woanders«, erklärt Warnau. Daniel Weber, Bildungspolitikreferent des AStA und ebenfalls Lust-Aktivist, teilt diese Position nicht: Es sei wichtig, dass die Hochschulgruppen, die Studiengebühren ablehnen, geschlossen auftreten und dabei nicht auf WählerInnenstimmen hinarbeiten, sondern auf die Verhinderung von Studiengebühren.
Den spärlichen Anklang der Aktionen bedauert er. Einige Tage zuvor lockte eine bildungspolitische Podiumsdiskussion mit VertreterInnen verschiedener Parteien nur rund sechzig InteressentInnen an. »Manche StudentInnen haben sich einen Tunnelblick angewöhnt. Durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Langzeitstudiengebühren fühlen sie sich gezwungen, schnell zu studieren und denken, sie hätten keine Zeit mehr für politisches Engagement«, glaubt Weber. Im Sommersemester 2002, als die StudentInnen der Universität für drei Wochen in den Streik traten, sei es einfacher gewesen, die Menschen zu Protestaktionen zu animieren; mittlerweile hätten sich jedoch Studiengebühren als Normalität in das Bewusstsein vieler StudentInnen geschlichen.
An den Materialien und Aktionen, die angeboten werden, liegt es seines Erachtens nicht, dass die Beteiligung vieler StudentInnen bislang nicht so rege ist, wie Weber es gern hätte. Das sieht eine ältere Studentin, die den rockigen Klängen der MusikerInnen nicht viel abgewinnen kann, anders. »Töne sind keine Argumente« sagt sie. Sie zahlt bereits 650 Euro pro Semester: die Langzeitgebühren, die 2004 von der rot-grünen Landesregierung eingeführt wurden. Eine Tatsache, die in der momentanen Debatte zu kurz kommt, wie sie erklärt: »Viele Materialien warnen vor allem vor den allgemeinen Gebühren, die eine CDU-geführte Landesregierung einführen möchte. Häufig entsteht so der Eindruck, dass die SPD oder die Grünen das kleinere Übel seien, das man dann am 22. Mai wählen soll.« Dass Flugblätter und Plakate des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) sich zurzeit vor allem gegen eine schwarz-gelbe Koalition richten und rot-grüne Studienkonten verharmlosen, wurde im Vorfeld bereits aus den Reihen der nordrhein-westfälischen ASten kritisiert.
Eine anderes Problem legt Evelyn Hinze vom Basisdemokratischen Ausschuss der Vollversammlung der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät offen: »Die einzige Vollversammlung, die der AStA in diesem Semester organisiert hat, glich eher einer faden Informationsveranstaltung denn einer gemeinsamen Diskussion unter den StudentInnen«, findet sie. »Wir sind bei Vollversammlungen an unserer Fakultät immer bemüht, die Anwesenden in die Planungen einzubeziehen.« Eine diskursive Auseinandersetzung habe nicht stattgefunden, die Versammlung habe lediglich die Funktion gehabt, Termine zu verkünden, anstatt politische Inhalte und Argumente auszutauschen, ärgert sich Hinze weiter. StudentInnen, die sich nicht in Hochschulgruppen oder Fachschaften engagieren, fühlten sich so ausgegrenzt und fänden dann auch nicht den Weg zu Protestaktivitäten.
Gerd Krauss aus Bochum ist mit dem Bus des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) in Köln und hat in den vergangenen Wochen viele solcher Veranstaltungen besucht. »Eigentlich ist die Kampagne in Nordrhein-Westfalen erstmal schleppend angelaufen«, berichtet er.
Seit ein Wahlkampfauftritt der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel in Münster ein paar hundert protestierende StudentInnen mobilisierte, kommt die Kampagne gegen Studiengebühren nun langsam aber sicher in Fahrt. Bis zur Abschlussdemonstration am 21. Mai tourt das ABS-Mobil durch nordrhein-westfälische Städte - bevorzugt termingleich mit Wahlkampfveranstaltungen der Parteien.
Wie handfester Protest aussieht, zeigen bereits die KommilitonInnen in anderen Bundesländern: In Norddeutschland streiken einige Hochschulen, in Freiburg haben StudentInnen das Rektorat besetzt und fordern die Hochschulleitung zu einer klaren Position gegen die Gebühren auf. Dass dies auch auf die Hochschulen in NRW überschwappt, hoffen sicher alle Beteiligten. Schließlich scheint es schwer vorstellbar, dass die meisten StudentInnen einen weiteren Schritt im bildungspolitischen Kahlschlag kampflos hinnehmen werden.
Sebastian Schröder ist Mitglied im SprecherInnenrat der Philosophischen Fakultät und in der Fachschaft Philosophie.