Spätestens seit dem Regierungswechsel am 22. Mai ist in Nordrhein-Westfalen klar: Die Studiengebühren für das Erststudium sollen kommen. Nachdem bereits so genannte Langzeit- und SeniorenstudentInnen mit 650 Euro pro Semester zur Kasse gebeten werden, sind wohl ab dem Sommersemester 2007 auch StudentInnen in der Regelstudienzeit mit fünfhundert Euro pro Semester dabei. ErstsemesterInnen sollen sogar schon ein Semester früher - also ab Wintersemester 2006/07 - zahlen und auch BAföG-EmpfängerInnen sollen nicht verschont werden. Das sah im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-gelben Regierung noch anders aus. Doch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ist nun offenbar auf die FDP-Linie eingeschwenkt.
Der neue Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte bereits Anfang September bei einer Pressekonferenz die »Eckpunkte des Studienbeitragsmodells« vorgestellt. Seit Ende September liegt ein ReferentInnenentwurf zur Einführung von Studiengebühren vor.
Neben der Höhe der geplanten Studiengebühren, die nun »Studienbeiträge« genannt werden, und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Einführung enthält der Gesetzesentwurf weitere interessante Punkte. So sollen die Hochschulen selbst bestimmen können, ob und in welcher Höhe sie Studiengebühren erheben. Dies bedeutet, dass der Konflikt zwischen StudentInnen und Landesregierung in die Universitäten, genauer in deren Selbstverwaltungsgremien, getragen wird: der Ärger ist vorprogrammiert. Gleichzeitig ist eine Schwächung der landesweiten Front gegen Studiengebühren zu befürchten, da sich die Protestaktionen wohl auf die Auseinandersetzungen mit den einzelnen Universitäten konzentrieren werden. Ein geschickter Zug, der die Landesregierung aus der direkten Schusslinie nehmen würde.
Dass die Studiengebühren »nicht sozial abschreckend wirken«, will die Landesregierung sicherstellen, indem diese bei Bedarf »sozialverträglich nachgelagert zu entrichten« sind. Dazu soll die NRW-Bank »moderat« verzinslichte Darlehen gewähren, die grundsätzlich alle StudentInnen in Anspruch nehmen können sollen.
Der Zinssatz soll unter sechs Prozent liegen. Die NRW-Bank gewährt diesen aber nur, weil die Hochschulen für ausfallende Rückzahlungen einstehen müssen. Von sämtlichen Einnahmen aus den Beiträgen fließen 23 Prozent in einen Ausfallfonds. Darlehen, die ehemalige StudentInnen wegen zu niedrigem Einkommen oder Freistellung nicht zurückzahlen, werden aus diesem Fonds getilgt.
Die Darlehenshöhe entspricht den von der jeweiligen Hochschule geforderten Gebühren und das Geld wird auch direkt an diese ausgezahlt. Geld von der NRW-Bank gibt es nur in der Regelstudienzeit plus vier Semester.
Bei einem Studienfachwechsel nach dem zweiten Semester wird die bisherige Studienzeit auf den Zeitraum angerechnet, für den Anspruch auf ein Beitragsdarlehen besteht. Damit entfällt grundsätzlich auch ein Anspruch während des Zweitstudiums. Ausgenommen sind dabei die Masterstudiengänge, für die als konsekutive Studiengänge auch ein Darlehensanspruch besteht, allerdings beschränkt sich die Anspruchsdauer auf die Regelstudienzeit.
Eine Verlängerung des Anspruchs ist nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen: unter anderem für Eltern, gewählte VertreterInnen in Gremien der Universität oder Behinderte. Bei der Anerkennung dieser »Härtefälle« soll bezeichnenderweise »ein strenger Maßstab« angelegt werden.
Mit der Rückzahlung des Darlehens muss zwei Jahre nach Ende des Studiums beziehungsweise spätestens elf Jahre nach dessen Aufnahme begonnen werden - sofern eine bestimmte Einkommensgrenze überschritten wird. Diese soll per Rechtsverordnung festgelegt werden, im Gespräch ist derzeit der Betrag von 32000 Euro Jahreseinkommen. Die Gesamtschulden sollen, unter Einbeziehung des Darlehensanteils des BAföG und eingerechnet der Zinsen, einen Betrag von 10000 Euro oder 1000 Euro je Semester, für die das Darlehen gewährt wurde, nicht überschreiten.
Dem Vorwurf, dass das Land die Hochschulfinanzierung in dem Maße kürzt, wie durch die Beiträge die Einnahmen steigen, will die Landesregierung mit einem »Zukunftspakt« vorbeugen. Dieser schließt jedoch »kompensatorische Kürzungen« nur für die laufende Legislaturperiode aus. Diese ist aber bekanntlich lang, der Haushalt sanierungsbedürftig und die maximale Gebührenhöhe von fünfhundert Euro wird von Pinkwart eher als Einstieg denn äußerstes Limit gesehen.