Auch wenn möglicherweise unter dem Eindruck der medialen Reaktionen oder dem persönlichen Erleben ein anderes Bild des Weltjugendtags (WJT) in so manchem Kopf verblieben sein mag: Mit dem im Motto des WJT angesprochenen IHM war eigentlich nicht der Mann gemeint, der kürzlich ganz Deutschland zum Papst machte. Und doch spielte der neue Pappa di tutti Pappi während dieser Woche unbestreitbar die zentrale Rolle. Zwar reichte es nicht ganz zum Wandeln übers Wasser, trotzdem hätte die ihm entgegengebrachte Begeisterung kaum größer sein können. So zog die im Glauben vereinte Weltjugend eine volle Woche lang Fahnen schwingend und überwiegend fromme Gesänge anstimmend (sofern Bommerlunder zwischenzeitlich Bestandteil katholischer Gesangsbücher geworden ist) durch Köln und verbreiteten eine selbst für die frohsinnsverwöhnten RheinländerInnen beachtenswerte gute Laune in Köln und Umgebung.
Dennoch stellt sich die Frage, wem die versammelte Jugend wirklich so euphorisch zujubelte: dem im Geiste anwesenden Initiator des Weltjugendtages, Johannes Paul II., seinem Nachfolger, Benedikt XVI. oder, wie von den VeranstalterInnen unterstellt, tatsächlich dem katholischen Glauben an sich? Sie alle sind jedenfalls eher unverdächtig, mit den Werten und Inhalten zu sympathisieren, die man im Allgemeinen jugendlichen Lebenswelten zuschreibt. Wurde Köln also von einer Horde realitätsferner NachwuchsfanatikerInnen heimgesucht? Diese Erklärung ist wohl etwas zu einfach, und auch wenn in unserer Gesellschaft die vatikanischen Vorstellungen vom richtigen Leben zu Recht eher kritisch gesehen werden, so sind sie doch von wirklichem menschenverachtendem Fanatismus weit entfernt. Dass derzeit unter Jugendlichen ein gesteigertes Bedürfnis nach spiritueller Orientierung besteht, ist weder neu noch überraschend, und der katholische Glaube ist dafür sicher nicht die schlechteste Alternative. Aber Kritik muss erlaubt sein, und sie anzubringen wäre anlässlich des WJT ein Leichtes gewesen.
Auch wenn sie während der Veranstaltung dünn gesät waren, es gab tatsächlich einige kritische Stimmen. Neben der Frage nach den Kosten (siehe Kasten) und vor allem deren TrägerInnen, erreichte besonders das religionskritische Kollektiv Heidenspaß statt Höllenqual mit seiner recht lustig anmutenden Kampagne öffentliche Aufmerksamkeit. Leider beschränkte sich das Bündnis, das zwischenzeitlich auch noch mit internen Querelen zu kämpfen hatte, mit seinem Programm auf altbekanntes »Katholikenbashing«, das selbst der linken Presse mittlerweile zu langweilig geworden ist. Aber die Chance einer kritischen und womöglich sogar konstruktiven Beschäftigung mit dem eigentlichen Thema, dem Phänomen Weltjugendtag an sich, blieb ungenutzt. Denn wenn eines aus den Fernsehbildern deutlich geworden ist, so doch die Tatsache, dass es sich bei den Gästen des WJT keinesfalls um obrigkeitshörige Marionetten gehandelt hat. Das haben neben Kardinal Joachim Meisner auch Bundespräsident Horst Köhler und sogar »Papa Ratzi« bei ihren Ansprachen zu spüren bekommen.
Prinzipiell ist wohl jeglicher Austausch zwischen Jugendlichen, besonders aus einander fremden Kulturkreisen, zu begrüßen. Doch allzu fremd dürften sich die Kulturen angesichts der Tatsache, dass knapp 88 Prozent der TeilnehmerInnnen aus Nordamerika und Europa kamen, sicher nicht gewesen sein, zumal andere Religionskulturen, sprich Glaubensgemeinschaften, erst gar nicht eingeladen waren. So drängt sich, betrachtet man die geographische Verbreitung des Katholizismus, die Vermutung auf, dass die Frage der Teilnahme am WJT in erster Linie eine Kostenfrage war, was bei entsprechender Intention für die katholische Kirche wohl keine hätte sein dürfen. Allerdings stand der Gedanke der Begegnung für die VeranstalterInnen wohl auch nicht im Vordergrund, so ehrlich waren sie auf ihrer offiziellen Website: »Ziel des Weltjugendtags ist es, das Hauptanliegen des Pontifikats von Johannes Paul II. zu verfolgen: die Neuevangelisierung, die auch die Jugendlichen erreichen soll.« Und die ist in der »westlichen« Welt wohl nötiger als beispielsweise in Südamerika, notfalls auch mit Hilfe des passenden Klingeltons für 2,99 Euro.
Vielleicht lässt sich also der WJT zusammenfassend so beschreiben: Als ein kirchlich initiiertes, von öffentlichen Geldern finanziertes, in der Öffentlichkeit falsch wahrgenommenes und von den KritikerInnen im eigentlichen Gegenstand ignoriertes Happening, das von den OrganisatorInnen geschickt für ihre Ziele benutzt worden ist, und auf dem die Gäste das getan haben, was man im Grunde von ihnen erwart: eine große Party feiern.