»Die Lage in Merkenich ist immer noch angespannt.« Zu dieser Einschätzung kommt Marlis Bredehorst, Sozialdezernentin der Stadt Köln. Eskaliert war die Situation um das MigrantInnenheim in der Causemannstraße Ende September. Bei einer Podiumsdiskussion, zu der die Bezirksfraktionen von CDU, SPD und Grünen eingeladen hatten, berichteten zahlreiche MerkenicherInnen von massiven Straftaten der HeimbewohnerInnen in den vorangegangenen Monaten und forderten lautstark die Schließung des Heims.
Eine Gruppe von Merkenicher BürgerInnen trug schwarze T-Shirts mit dem weißen Aufdruck »Das Heim muss weg« zur Schau und zeichnete sich auf der erwähnten Podiumsdiskussion besonders durch Unsachlichkeit und Aggressivität aus. Sie trugen maßgeblich zur Eskalation bei. Die Stimmung nach der Diskussion war dementsprechend: Eltern im MigrantInnenheim wagten es noch Tage nach der Veranstaltung nicht, ihre Kinder zur Schule gehen zu lassen.
Die Stadtverwaltung brachte inzwischen insgesamt vier Familien, von denen die Straftaten ausgegangen sein sollen, in anderen Heimen unter. In der Causemannstraße leben jetzt noch rund neunzig Personen. Zu Belästigungen ist es laut Bredehorst seitdem nicht mehr gekommen. Allerdings werde die Stimmung durch die »Bürgerbewegung Pro Köln« immer wieder angeheizt. Die rechtsextreme Gruppierung reichte unter anderem für die Sitzung des Kölner Stadtrates Anfang November einen Antrag auf Schließung des MigrantInnenheimes ein. »Die Merkenicher Bürger werden seit Jahren von manchen Großfamilien des Übergangsheims Causemannstraße regelrecht terrorisiert«, heißt es in der Begründung. Da alle bisherigen Maßnahmen der Verwaltung keine Verbesserung gebracht hätten, komme nur die Schließung in Frage. Wohin die HeimbewohnerInnen dann gehen sollen, wird nicht diskutiert. Hauptsache, sie sind nicht bei uns, lautet der Tenor.
Die Leidtragenden sind die verbliebenen MigrantInnenfamilien. Obwohl sie nach Deutschland gekommen sind, um menschenwürdige Lebensumstände vorzufinden, werden sie von Pro Köln pauschal als Kriminelle verunglimpft und sehen sich nun dem geballten Misstrauen und den Vorurteilen der aufgehetzten Merkenicher Bevölkerung ausgesetzt. Dabei hatten auch sie unter den vier Familien, die mittlerweile woanders untergebracht sind, zu leiden, wie ein Heimbewohner dem Kölner Stadt-Anzeiger berichtete: »Sie haben im Heim gestohlen, geschlagen und uns bedroht.« Diese Seite der Medaille steht für Pro Köln freilich nicht zur Debatte. Aus ihrer Sicht wollen der Stadt-Anzeiger und die Kölnische Rundschau so lediglich »die Probleme totschweigen«, wie auf ihrer Homepage zu lesen ist.
Es gibt jedoch Personen, die inzwischen von einer deutlich entspannteren Stimmung sprechen. Eine von ihnen ist Nicole Hansen, Geschäftsführerin des Vereins Kindernöte, der seit Mai 2003 im strittigen Heim ein Schulprojekt für Roma-Kinder betreibt. Besonders für die Kinder im Heim habe sich die Situation sichtbar verbessert: »Sie können jetzt wieder ohne Furcht zur Schule gehen.« Die erwachsenen HeimbewohnerInnen würden sich allerdings - aus Angst vor Übergriffen der MerkenicherInnen - nach wie vor extrem vorsichtig verhalten.