Über die Vorkommnisse des Frühjahrs 1974, als Bundeskanzler Willy Brandt aufgrund der Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume zum Rücktritt gezwungen wurde, ist in der Vergangenheit hinreichend viel geschrieben und gedreht worden. So zuletzt 2003, als Michael Mendl den melancholischen Kanzler ZDF-tauglich zum besten gab. Doch was empfanden die Söhne der beiden Akteure, Matthias Brandt, damals 12, und Pierre Guillaume, damals 17 Jahre alt, als die berühmten Väter aus dem Amt beziehungsweise ins Gefängnis wanderten? Mit dieser Frage beschäftigt sich Doris Metz' Dokumentation Schattenväter, die ohne störende Kommentare aus dem Off auskommt.
Matthias Brandt erzählt von einer Abenteuerkindheit in der Bonner Kanzlervilla, in der BGS-BeamtInnen und der Besuch ranghoher PolitikerInnen zum Alltag gehörten. Was man immer schon über Brandt vermutet hatte, wird von seinem Sohn bestätigt: Ein Rabenvater, der mit seinem Sohn nichts anzufangen weiß. Fortan kann Matthias es nicht leiden, über jenen definiert zu werden, wird Schauspieler und emanzipiert sich radikal.
Für Pierre Boom, ehemals Guillaume, ist die Enttarnung seiner Eltern ein Schock: Sein Vater hat ihn sozusagen »links überholt« und das geliebte Bonner Leben als Fassade entlarvt. Wer seine Eltern wirklich sind, wohin er gehört, damit beschäftigt sich Pierre noch heute. Sein Umgang mit der Geschichte des Vaters ist nicht so ungezwungen wie der Matthias Brandts. Jener hat ein distanziertes Verhältnis zum Vater, dieser ein allzu enges.
Gelegentlich werden die schönen Bilder aus dem verschneiten Bonn beziehungsweise Berlin von etwas plumper Metaphorik gestört: Fußballtore für den sportbegeisterten Matthias, verlassene Bahnhöfe für den nie ankommenden Pierre. Dennoch ist Schattenväter ein lehrreiches Stück Zeitgeschichte über die Frage, wie man erwachsen wird, wenn die Eltern Geschichte geschrieben haben.
Schattenväter. Deutschland 2005. Regie: Doris Metz. Kinostart: 10. November 2005.