Flüchtlinge? Nicht bei uns! Diese Haltung setzt das Land Nordrhein-Westfalen mittlerweile mit immer rigoroseren Mitteln durch. Kranke Personen werden häufiger als flugfähig eingestuft, Familien immer öfter auseinander gerissen. Zu diesem Ergebnis kommt das »Forum Flughäfen in NRW«, ein Zusammenschluss verschiedener Verbände und Institutionen, die sich mit Abschiebung befassen, in seiner Jahresbilanz. Das Forum wurde im Jahr 2000 ins Leben gerufen, um die Durchführung von Abschiebungen zu beobachten. Ihm gehören unter anderem Amnesty International, die Evangelische Kirche im Rheinland, die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und das Innenministerium NRW an.
Jörn-Erik Gutheil, Ausländerdezernent der Evangelischen Kirche im Rheinland, kritisiert, dass Ausreisepflichtige so lange von der Ausländerbehörde untersucht würden, bis sie letztendlich als flugfähig eingestuft werden. Gegenteilige Gutachten von FachärztInnen würden außer Kraft gesetzt: »Die Ausländerbehörden engagieren auf Abschiebung spezialisierte Ärzte, die zu ihren Gunsten entscheiden.«
Einer von vielen Fällen, die die Abschiebepraxis des Landes illustrieren, ereignete sich Mitte November in Marl. Ein afghanisches Ehepaar hinduistischen Glaubens sollte nach Afghanistan abgeschoben werden und wurde ohne Vorankündigung zu einem Flugzeug gebracht. Die psychisch kranke Frau erlitt am Flughafen mehrere Zusammenbrüche, sodass die Fluggesellschaft sich schließlich weigerte, sie zu transportieren. Während sie noch ärztlich versorgt wurde, schaffte die Ausländerbehörde jedoch ihren Ehemann ohne ihr Wissen zurück nach Afghanistan. Den mehreren hundert DemonstrantInnen, die darauf hinwiesen, dass Hindus in Afghanistan großer Gefahr ausgesetzt sind, wurde kein Gehör geschenkt.
Für viele Flüchtlinge schien es zunächst ein Hoffnungsschimmer zu sein, als der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) eine Initiative für die Bleiberechtsregelung ankündigte. Eine »Altfallregelung« sollte humanere Bedingungen für Flüchtlinge garantieren, die sich schon seit längerer Zeit in Deutschland aufhalten. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich diese jedoch als Mogelpackung. Die von Wolf vorgelegten Bedingungen, die Flüchtlinge erfüllen sollen, um sich dauerhaft in Deutschland aufhalten zu dürfen, sind kaum umzusetzen. So müssten die Betroffenen beispielsweise in der Regel nachweisen, dass sie seit über zwei Jahren in einem legalen, dauerhaften und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Vielen Flüchtlingen wurde jedoch in der Vergangenheit jede Arbeitserlaubnis verweigert. In diesem Licht erscheint die Auflage mehr als zynisch. Von den 170000 Menschen in NRW, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, beziehen rund 65000 Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II. Sie könnten die Bedingungen von vornherein nicht erfüllen.