Nur 124 Sekunden und der Kampf ist vorbei. Max Schmeling liegt nach dem dritten Niederschlag auf dem Ringboden; seine Ecke wirft das Handtuch. Die ungläubige Stimme des deutschen Radio-Kommentators ruft: »Max, Maxi, was ist los? Steh auf!« Doch der »Jahrhundertkampf« endet vor Ablauf der ersten Runde.
Das Aufeinandertreffen von Joe Louis und Max Schmeling am 22. Juni 1938 im New Yorker Yankee-Stadion wollten 70000 ZuschauerInnen sehen. Die Bedeutung des Kampfes ging jedoch weit über seinen sportlichen Charakter hinaus. In den USA hatten seit den Olympischen Spielen 1936 in Berlin die Stimmen für einen Boykott Nazi-Deutschlands an Einfluss gewonnen. In Deutschland galt Schmeling der Nazi-Führung als Aushängeschild »arischer Überlegenheit«. Die nationalsozialistische Presse beschwor einen Kampf des »arischen Übermenschen« gegen das »Lehmgesicht aus Alabama«. In Amerika wurde der schwarze Louis zum Hoffnungsträger der gesamten Nation. Präsident Franklin D. Roosevelt hatte vor dem Kampf zu Louis gesagt: »Solche Muskeln brauchen wir, um Deutschland zu schlagen.«
Schmeling wurde 1930 der bislang einzige deutsche Weltmeister im Schwergewicht. Da sein Gegner Jack Sharkey nach einem Tiefschlag disqualifiziert wurde, nannte man Schmeling auch spöttisch »Weltmeister im Liegen«. Seinen Ruhm erlangte er jedoch in einem Kampf, der nicht einmal ein Titelkampf war: 1936 gewann er völlig überraschend den ersten Kampf gegen den hoch favorisierten »Braunen Bomber« Louis. Danach begann auch die Nazi-Presse, Schmeling propagandistisch zu vereinnahmen. Wirklich gewehrt hat sich Schmeling dagegen nicht. Während seine Bekannten aus den Zwanzigerjahren wie Bertolt Brecht oder George Grosz emigrieren mussten, stellte der Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich für ihn keine große Zäsur dar.
Andererseits nutzte Schmeling seine Position, um während der so genannten Reichskristallnacht 1938 zwei jüdische Jungen in seinem Hotelzimmer zu verstecken. Auch wird ihm häufig zugute gehalten, dass er an seinem jüdischen Manager Joe Jacobs festhielt. Das war aber nur folgerichtig: Ohne Jacobs hätte er es wohl nicht geschafft, in den USA Fuß zu fassen.
Schmeling selbst zog in seiner Autobiografie Erinnerungen ein versöhnliches Resümee des Kampfes: »Aus dem Abstand des Alters denke ich mitunter, dass jene Niederlage tatsächlich ihr Gutes gehabt hat. Ein Sieg über Joe Louis hätte mich vielleicht wirklich zum Parade-Arier des Dritten Reiches gemacht.« Am 2. Februar 2005 ist Max Schmeling im Alter von 99 Jahren gestorben.